Bauern und Bürger § 426—427. 251
in Deutschland die Hexenprozesse. Die Folter, besonders seit Karls V. „hoch¬
notpeinlicher Halsgerichtsordnung" und dem „Hexenhammer" (malleus male-
ficarum) in Deutschland üblich, ward mit barbarischer Erfindungskraft zu den
ausgesuchtesten Martern gesteigert und erpreßte die Geständnisse, die man wollte. —
Noch bewegte sich das Leben in den gläubigen Formen der Kirche; noch erklangen
die frommen Lieder Paul Gerhards und Johann Heermanns und tröste-
ten das Volk in seiner schweren Leidenszeit. Aber in densvornehmen Kreisen
entstand Lauheit gegen die Religion, die so manchem Verbrechen hatte zum Deck-
mantel dienen müssen; Uebertritte von dem Lutherthum zum Katholicismus
wurden häufig. In allen Ständen aber ging selbst neben der kirchlichen Recht-
gläubigkeit eine unglaubliche Rohheit, Dumpfheit, Härte des Gemüthes her,
überall merkt man die Rückwirkung der Kriegsgräuel. So klagt ein anderer
Dichter des 17. Jahrhunderts, Rist:
Ach, Lieb und Treu ist hin, die Gottesfurcht erkaltet,
Der Glaub ist abgethan, Beständigkeit veraltet.
und v. Log au sagt in einem Sinngedicht:
Lutherisch, Päpstisch und Calvinisch, diese glauben alle drey
Sind vorhanden; doch ist Zweifel, wo das Christenthum dann sei?
Was die Vergangenheit Herrliches gehabt, an deutscher Größe im Leben und
im Dichten, das schien bis auf die Erinnerung erloschen; nur die Reformation
blieb das Ereigniß, das nicht vergessen werden konnte. Sonst trat eine Kluft
in die Geschichte des deutschen Volkes, die nicht mehr ausgefüllt werden konnte.
In zehn Beziehungen gegen eine mußte es sein Leben von vorne beginnen.
3. Bauern und Bürger.
§ 427- Der Bauernstand, den wir beim Beginn der Reformation in
Süd- und Mitteldeutschland so trotzig gegen seine Bedrücker sich erheben sahen
(§ 345), war zwar im Bauernkriege niedergeworfen, doch im Laufe des
16. Jahrhunderts wieder erstarkt, wohlhabend und kräftig geworden. Es lag
im Interesse von Fürsten und Herren, ihn, als den zahlenden, den Nährstand,
zu schonen, und außerdem brachte der lange Frieden in einem so fruchtbaren
Lande wie Deutschland seinen unausbleiblichen Segen. So war der Bauer,
der freilich im 16. Jahrhundert erst recht in Abhängigkeit und Leibeigenschaft
gerathen war, im Ganzen wohlhabend, mäßig unterrichtet, und von der protestan¬
tischen Schul- und Kirchenzucht im Ganzen heilsam gelenkt. Er hatte seinen
hübschen Hausrath, seine Sparpfennige in der Truhe, reichliches Vieh auf der Weide
und im Stall. Es sind zwei Jahrhunderte vergangen, ehe der Culturzustand
der Dörfer die Höhe wieder gewann, die er beim Ausbruch des deutschen Krieges
hatte. Der Krieg vernichtete diese ganze Blüte; denn, wie schon oben gezeigt,
fiel derselbe mit seiner Hauptschwere auf den Bauernstand. Die Dörfer lagen
in Asche, der Viehstand ging ein, das Feld verwuchs und ward stellenweis wie-
der zu Wald, die Leicken blieben unbegraben, die Dorfhunde rotteten sich zu-
sammen wie Heerben Raubthiere — und zu dem Elende des Krieges kamen
die unausbleiblichen Plagen des Hungers und der Pest. In der zweiten Hälfte
des Krieges weigerte sich ein schwedischer General, sein Heer von Pommern
nach Süddeutschland zu führen, weil durch die dazwischen liegende Oede sein
Verlust größer fein würde, als durch die blutigste Niederlage. In einzelnen
Gegenden, wie in Schlesien, Thüringen, Mecklenburg hatte der Krieg beson-
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