Full text: Geschichte des deutschen Volkes

Bauern und Bürger. § 428—429. 253 
überladen, war neben den Hoffesten die wichtigste Zerstreuung; die frohen Volks- 
feste verkümmerten. Das geistesarme, steife und langweilige Aussehen solcher 
Städte erhielt durch die Garnisonen der stehenden kleinen Heere, die nun all- 
gemein wurden, keine besondere Belebung. Die Baukunst verlor ihre deutsche 
Eigentümlichkeit. Ueberhaupt wurden nur noch wenige öffentliche Gebäude, Kir- 
chen, Rathhäuser u. dgl. aufgeführt; wo die Noth es erheischte, geschah es arm- 
lich genug. Dagegen erhoben sich die fürstlichen Lustschlösser um so zahlreicher 
und prächtiger; aber auch diese in dem seltsamen (baroken) Zopfstile, der in 
Italien und Frankreich sich gebildet hatte und von der Geschmacklosigkeit der 
Zeit Zeugniß gab. Die Bürgerhäuser waren ärmlich und in nüchternster 
Gradlinigkeit aufgeführt. So sank die Herrlichkeit der Städte. Manche, die 
aus dem großen Kriege noch ihre Reichsfreiheit oder wenigstens ihre theilweise 
Unabhängigkeit gerettet hatten, erlagen bald nachher. So ward Braunschweig 
1671 von den wölfischen Herzögen, Magdeburg und Königsberg von dem 
großen Kurfürsten, Münster von seinem Bischof, Erfurt von dem Erzbischof 
von Mainz bewältigt; kaum erwehrte sich Bremen der schwedischen und Ham- 
bürg der dänischen Bedrängung. 
§ 429. Der deutsche Handel (vgl. § 191 ff., § 296 ff.) war gleich¬ 
falls dahin. Noch zur Reformationszeit beherrschten deutsche Kaufleute, z. B. 
die Fugger in Augsburg, mit ihrem Gelde den Weltmarkt und ermöglichten 
durch ihre Anleihen die Kriege Karls V. Aber bereits begann der Handel 
Europa's andere Bahnen zu nehmen; seit das Mittelmeer nicht mehr der Kreis 
des Weltverkehrs war, verloren Italien und Deutschland ihre große Bedeutung 
für den Handel. Die Stelle des Mittelmeeres nahm mit veränderten Verhält- 
nissen der atlantische Ocean ein, seit Amerika entdeckt (1492) und der Seeweg 
nach Ostindien gefunden war (1498). Nun wurden Lissabon und Antwerpen 
die wichtigsten Handelsstationen; nicht einmal für den Zwischenhandel war 
Deutschland mehr so wichtig, denn die seefahrenden Nationen konnten mit den 
von Westen kommenden Waaren alle nordischen Küsten erreichen, die bisher aus- 
schließlich von Deutschland, von der Hanse (§ 296 ff.) versorgt worden waren. 
Aber Lissabon sank, seit es unter spanische Herrschaft kam, und die Nieder- 
lande waren seit ihrer Befreiung von Spanien (§ 376) ein Land für sich, 
ihr Handel war nicht mehr der Deutschlands, ja, er trat demselben geradezu 
hindernd in den Weg. Zu gleicher Zeit trat England unter der großen Königin 
Elisabeth (1558 —1603) den Niederländern ebenbürtig zur Seite. Elisabeth 
nahm den Kaufleuten der deutschen Hanse ihre Vorrechte auf dem Londoner 
Markt, und bald waren von hier aus die deutschen Nordseestädte Emden, Bre- 
men, Hamburg überflügelt. So sank die deutsche Hanse, einst der Stolz der 
nordischen Meere, in Unbedeutendheit. Noch zur Reformationszeit hatte ihr Haupt, 
die Stadt Lübeck, auf den schwedischen Thron einen neuen König, Gustav 
Weiset, setzen, und unter ihrem Bürgermeister Jürgen Wulleuwever, der 
durch die Macht der Zünfte das aristokratische Regiment der Stavt gebrochen, 
noch einmal an eine Unterwerfung der Dänen, Abschaffung des Sundzolls und 
Ausschließung der Niederländer von der Ostsee denken können. Aber Wullen- 
wever fiel durch seine eigenen Mitbürger und ward als „neuerungssüchtiger Böse- 
wicht" von einem fernwohnenden Fürsten, Heinrich dem Jüngern (§ 358), zu 
Braunschweig enthauptet und gerade Gustav Wasa entzog sich der drückenden 
Handelsherrschaft Lübecks, so daß nun auch das Uebergewicht der Hanse in 
Skandinavien aufhörte. Je mehr dann Schweden um die Ostsee herum sich 
ausbreitete, um so mehr ging hier der deutsche Einfluß verloren. Wallen- 
steins Gedanke, die Hanse mit neuer Kriegsfertigkeit unter kaiserlicher Leitung
	        
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