Theoderich d. Große. Rundblick. Neue Zustände d. Germanen. § 83—34. 25
gleichsam zu dem ihren, indem sie ihn neben ihren besten Männern in der großen
deutschen Heldensage fortleben ließen.
§ 33, Wenige Jahrzehnte nur noch dauerte das weströmische Kaiserthum.
Der feige Kaiser Valentinian III. ließ den Sieger Attila's, den Aetius, dessen
selbstständige Stellung in Gallien ihm mißfiel, nach Italien .kommen und stieß
ihn mit eigener Hand nieder (454). Er selbst fiel bald darauf ebenfalls durch
Mord, und seine Wittwe, Eudoxia, die der Mörder des Gemahls zur Ehe
mit ihm gezwungen hatte, rief aus Rache dafür die Vandalen aus Afrika
über das Meer nach Rom. Diese, noch immer unter des alten Geiserich
Führung, waren die einzigen unter den Germanen, die sich eine Flotte geschaffen,
durch welche sie auch bereits über die großen Inseln des Mittelmeeres, über
Sicilien, Sardinien und Corsika, geboten. Begierig folgte der „Meerkönig" dem
Rufe, und das „goldene" Rom ward 14 Tage hindurch so surchtbar geplündert
(455), daß seitdem der Vandalenname für Barbarei und Verheerung sprichwört¬
lich wurde. Die Kaiser, die nun in Rom rasch wechselten, waren Schatten-
bilder in der Hand der deutschen Söldnerführer. Denn das ganze Heer des
Kaisers bestand nur noch aus Germanen, Trümmern verschiedener Völkerschaften,
die dort Sold gesucht hatten. Zuletzt forderten auch diese, wie ihre Stammes-
genossen in den Provinzen, Landbesitz in Italien, und zwar den dritten Theil
des Bodens. Da dieß verweigert ward, machte der Feldherr Odoaker an der
Spitze seiner Heruler, Skiren, Turciliuger und Rugier, die von der
Donau aus vordrangen, auch dem Namen des römischen Kaiserthums ein Ende,
indem er den letzten Imperator, einen Knaben, Romulus Augustulus, des
Purpurs beraubte und fortan als deutscher Heereskönig selbstständig in Italien
gebot. So fiel durch die Deutschen das weströmische Kaiserreich, nachdem es
schon zuvor alle seine Provinzen, Afrika, Spanien, Gallien, Britannien an sie
verloren hatte. Dies geschah im Jahre 476. Man schließt mit diesem Er-
elgmß die alte Geschichte; für die deutsche Geschichte bildet es kaum einen
Abschnitt.
3. Theoderich der Große. Rundblick. Neue Zustände der Germanen.
§ 34. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches betrachteten sich
die oströmischen Kaiser, die in Eonstantinopel residirten, als die Erben, an die
das ganze ehemalige Römerreich heimfallen müsse. Ihnen lag es daran, vor-
laufig wenigstens den Schein einer Oberhoheit zu retten. Dazu bot der junge
Ostgothenkönig Theoderich die Hand. Als nemlich Attila gestorben war,
r rcrr .» -e ^)errfc^af* M aufgelöst, und die ihm folgenden Völker waren wieder
selbststandig geworden. So auch die Ostgothen, die' fortan in den Ebenen
der untern Donau, in Mösien, als Nachbarn und Verbündete Ostroms wohnten.
Emer chrer Kömgssöhne, aus dem Geschlecht der Antatet, Theoderich, war
selbst ui Constantmopel gebildet, und ward, schon durch jugendliche Heldenthaten
bewahrt, bald nach dem Fall Westroms zum König aller Ostgothen erwählt.
^Yn forderte der Kaiser auf zur Wiedereroberung Italiens, versah ihn mit dem
^atthaltertitel"), und, wie in seinem Namen, in derThat aber
™8 selbststandlg, zog Theoderich aus zur Eroberung Italiens gegen Odoaker
., 3^ einen harten Kampf von Germanen gegen Germanen; Theode-
s stegte zwar über Odoaker und zwang ihn zur Flucht in das feste Ravenna;
aber dieser brach von hier wieder gegen die Gothen vor, lange schwankte das
* Magister militum und Patricius.