Full text: Leitfaden für den Geschichtsunterricht in den oberen Klassen höherer Töchterschulen

66 Die Deutschen. 1. Deutsche Stammesgeschichte. §§ 71.72. 
Nerthus oder Holda geheißen, ebenso eine finstere Todesgöttin, 
Hel. Unter Wuotans Führung waltete in Asenheim, dem Himmels- 
sitze, ein weitverzweigtes Geschlecht anderer Götter, auf der Erde 
aber und in den Elementen schafften die kleinen Zwerge und hausten 
die treulosen Riesen, Göttern und Menschen feinb; auch die klugen 
Nixen und Waldfrauen genossen ehrfürchtige Scheu und Ver- 
ehrung. Die Deutschen hatten keine Tempel, sondern ihnen waren 
Haine, Quellen und Bergesgipfel heilig. Sie opferten ihren Göttern 
Tiere, z. B. Rosse, und in Notzeiten sogar Menschen, namentlich 
Kriegsgefangene oder Verbrecher. 
2. Im Hause herrschte strenge Sitte. Neben dem Manne waltete 
hochgeehrt die Frau (d. h. Herrin), und Sittenreinheit, Wahrhaftigkeit 
und Treue wurden vor allem hochgehalten. Die Männer schieden sich 
in Freie und Unfreie. Unter den Freien ragten hervor die Edlen, 
die durch Abstammung und größeren Besitz ausgezeichnet waren. Die 
einfachste staatliche Gemeinschaft war der Gau. An seiner Spitze 
stand ein von den Freien gewählter Fürst, dem in den Gauver- 
sammlungen der Vorsitz, im Kriege die Führung der Gaugenossen 
zukam. Zog der ganze Stamm in den Krieg, so ward aus den 
Fürsten ein Herzog gewählt, dessen Befehl endete, wenn der Kriegs- 
zug vorbei war. Einzelne Stämme oder auch nur Teile derselben 
standen schon unter Königen, welche anfangs nur die Amtsgewalt 
des Fürsten oder Herzogs kraft einer Art Erbrecht ihres Geschlechts 
übten, allmählich aber mächtiger wurden. An Könige und Fürsten 
schloß sich gern ein Gefolge von Recken an, ihnen durch Treue 
gebunden in Freud und Leid, in Not und Tod. Nicht der vollen 
Freiheit teilhaftig waren die Laten, Hörige, die gegen mäßigen 
Zins ihren Acker bewirtschafteten, geradezu unfrei waren die Knechte, 
die man aber milde und wie Hausgenossen behandelte. 
3. In allen Stücken zeigen sich die alten Deutschen nicht mehr als 
rohe Wilde. Ihre Göttervorstellungen waren einfach und würdig, 
ihre Sprache reich und klangvoll, ihr Staat durch Recht und Gesetz 
wohl geordnet; sie kannten den Pflug, der den Boden, und den Kiel, 
der die Welle durchschneidet; sie schmiedeten das Eisen, webten Ge¬ 
wände ; ihre Könige bauten weite Burgen, ihre Edlen besaßen statt- 
liche Gehöfte, die freien Bauern gemächliche Blockhäuser. Städte 
hatten sie freilich noch nicht, ein jeder zog vor, von andern ungestört 
im weitgestreckten Dorfe auf feinem Besitztum zu wohnen. 
§ 72. Die neuen Stammesnamen. Vulfila. 1. Während die 
Kämpfe gegen die Römer ruhten, vollzogen sich wichtige Verände-
	        
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