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IV. Das Zeitalter Friedrichs des Großen.
3. Am Ende des 17. und am Anfang des 18. Jahrhunderts war
Österreich durch glückliche Eroberungen in seinen Kriegen gegen die
Türken und die Erwerbungen aus der spanischen Erbschaft zum Rang
einer wirklichen Großmacht emporgestiegen. Es vereinigte mit seinen Erb-
landen die ehemals spanischen Niederlande (das jetzige Belgien), Teile von
Italien und den größten Teil von Ungarn. 1675 hatte es nach dem
Aussterben der Piasten auch Schlesien in Besitz genommen. Aber die ver-
schiedenen Länder, aus denen sich die Monarchie zusammensetzte, waren
zu keinem Einheitsstaat verbunden, ihre Bewohner blieben vielmehr durch
Nationalität, Verfassung und Recht voneinander geschieden. Da mit
Karl VI. der Mannesstamm des Hauses Habsburg erlosch, so mußte
man befürchten, daß das locker gefügte Reich auseinanderfalle. Der
Kaiser erließ daher eine besondere Erbfolgeordnung, die Pragmatische
Sanktion. Danach sollten die zur Habsburgischen Monarchie gehörenden
Lande ungeteilt bleiben und nach seinem Tode auf seine älteste Tochter
Maria Theresia übergehen. Den Bemühungen der österreichischen
Diplomatie gelang es, die Anerkennung und Garantie der Pragmatischen
Sanktion von den meisten europäischen Höfen zu erlangen.
4. Rußland. Nachdem Peter der Große an der Ostsee und in
unmittelbarer Nähe des Schwarzen Meeres Fuß gefaßt hatte, strebten
feine Nachfolger danach, ihre Besitzungen an den Küsten beider Meere zu
erweitern. Dies Ziel konnten sie im Süden nur im Kampfe gegen die
Türken, im Nordwesten nur auf Kosten Schwedens erreichen. Vor allem
aber suchten sie auch auf das ausgedehnte, aber innerlich schwache Pol-
nische Reich Einfluß zu gewinnen, um es zuletzt, wenn möglich, ihrer
Herrschaft zu unterwerfen. Bei dem Vordringen nach Westen stand ihnen
die junge, kleine, aber kräftige Macht Preußens im Wege. Um ihren ver-
schiedenen Zielen näher zu kommen, mischten sich die russischen Herrscher
in die Kriege in Mitteleuropa ein. Da sie eine gewaltige Macht in die
Wagschale werfen konnten, war ihre Parteistellung für die Kämpfenden
immer von allergrößter Bedeutung.
5. Neben diesen großen Staaten stand das Königreich Preußen. Es
war noch zu klein, als daß es schon eine selbständige Rolle unter ihnen
hätte spielen können, aber doch auch schon zu groß, als daß der König,
wie andere Fürsten des Reiches, sich mit der Stellung eines Vasallen
des Kaisers hätte begnügen können. Da ihre Macht ihrem Range nicht ent-
sprach, so mußten die Hohenzollern darauf denken, ihre Gebiete zu vergrößern.
Im 17. Jahrhundert hatten sie meist auf Grund von Erb vertragen
Erwerbungen gemacht. So hatte Johann Sigismund Preußen, Kleve,
Mark und Ravensberg (nicht dagegen Jülich und Berg), der Große Kur-
fürst Hinterpommern mit Kammin, Magdeburg, Halberstadt und Minden
erworben. Vorpommern mit Stettin dagegen, das er weder im West-
fälifchen Frieden erlangen, noch nach dem Schwedenkriege im Frieden von
St. Germain behaupten konnte, hatte Friedrich Wilhelm I., wenigstens zum
großen Teile, gewonnen (vgl. § 141 n. 144). Auf neue Gebietserwer-