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Das Mittelalter,
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ihre Burgen aufgeschlagen. Eigentümlich war das Aussehen einer frän-
tischen oder langobardischen Stadt: griechische Säulen und römische Ge-
wölbe, verfallene Amphitheater und Badeanstalten, christliche Kirchen und
germanische Bauernhäuser standen bunt durcheinander. Auf den Straßen
treffen wir römische Geistliche, von Bewaffneten begleitet, deutsche Fürsten-
töchter, in der Sänfte getragen oder hoch zu Rosse sitzend, blonde Franken
mit ihrer Streitaxt, der „Frankiska", an der Seite, Kelten und semitische
Handelsleute.
3. Die Bildung. Wo die Germanen in alte Kultursitze kamen,
mußten sie, die der einheimischen Bevölkerung gegenüber sich sehr in der
Minderzahl befanden, sich in die neuen Verhältnisse einleben und mit den
fremden Göttern abfinden. Eifrig waren sie bedacht, sich die überlegene
römische Bildung anzueignen, und lernten dabei leider auch auf römische
Art das Leben genießen.
In welchen Dingen die Römer unsere Lehrmeister gewesen sind,
erkennen wir noch deutlich an den aus dem Lateinischen stammenden
Lehnwörtern unserer Sprache. Dahin gehören: Münze; Straße; Wein;
Mauer, Fenster, Pfeiler, Pforte; Tisch, Schrein; Stiefel; Küche; Senf,
Pfeffer; Kohl, Kirsche, Birne, Pflaume. Von den Römern wurden auch
die Schriftzeichen und viele auf die geistige Bildung bezügliche Ausdrücke
entlehnt, z. B.: schreiben, Tinte, Vers, Schule. Am meisten treten auf
kirchlichem Gebiet die Lehnwörter hervor.
4. Das Papsttum. Während das Christentum unter den Germanen
an Boden gewann, erstarkte die Einheit der Kirche durch das Papsttum.
Unter den Patriarchen (Kirchenhäuptern), die in Rom, Antiochia,
Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem ihren Sitz hatten, nahmen die
römischen den ersten Rang ein und begründeten die geistliche Weltherr-
schaft des römischen Stuhles. Allmählich erhielten sie allein den Titel
Päpa (d. h. Vater), deutsch Papst. Sie bewahrten ihre Unabhängigkeit
von weltlicher Macht, während die Geistlichkeit des Morgenlandes viel-
fach vom byzantinischen Hofe beeinflußt wurde. Unter den Päpsten dieser
Periode ragen besonders Leo l., der Große (um 450) und Gregor I.,
der Große (um 600) hervor, unter dessen Leitung außer bei den Lango-
barden auch bei den Angelsachsen das römische Christentum Eingang fand.
Vergleiche die Bedeutung Roms im Altertum mit der, die es im Mittelalter
gewann!
Zweite Periode. Die Zeit des Frankenreiches.
§ 47• Das Frankenreich unter den Kausmeiern und König Pippin.
1. Die Hausmeier. Im Reiche der verkommenen Merowinger waren
die Hausmeier die höchsten Beamten. Sie hatten ursprünglich die
Aufsicht über das königliche Haus- und Hofwesen, dann auch die Ver-