§ 22, 23
Zweite Periode. Roms Heldenzeit.
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Die Erforschung der Zukunft war für alle Staatshandlungen
von großer Wichtigkeit. Von den Etrnskern, den Meistern der Zeichen-
dentmtg, lernten die Römer Naturereignisse deuten und die Eingeweide
der Opfertiere untersuchen. Die Vogelschau er*) beobachteten den Flug
der Vögel und das Fressen der heiligen Hühner. Auch die Sibyllinischen
Bücher und das Delphische Orakel wurden befragt.
Unter den Festen nahmen die zu Ehren des Jupiter den ersten Rang
ein; sie bestanden aus Opfer, Opferschmans, feierlichem Umzug und
Spielen (Wettrennen im Circus Maximus). Das schönste Fest aber
waren die im Dezember gefeierten Saturnalien. Man schmauste und
beschenkte sich und gab sich ausgelasseuer Freude hin zum Andenken an
das goldene Zeitalter, das unter der Regierung des Satnrnus geherrscht
hatte; sogar die Sklaven wurden bewirtet.
3. Bürgerliches Leben. Der Römer ließ sich in seinem Denken und
Trachten fast allein durch die Rücksicht auf das Wohlergehen und die
Macht seiner Vaterstadt leiten. Dem Staate treu zu dienen, war sein
höchster Ruhm. Einen Verräter wird man in der römischen Geschichte ver¬
gebens suchen. Durch Neigung und durch die Macht der Verhältnisse wurden
die Römer ein Volk von Kriegern**), denen der Krieg Bedürfnis und
Vergnügen war. Die Beschäftigung mit Kunst und Wissenschaft galt
ursprünglich sogar als unziemlich. Nur die Rechtskunde machte eine
Ausnahme; sie war die beste Empfehlung bei der Bewerbung um Staats-
ämter und befähigte, wenn die Beredsamkeit hinzukam, zu dem ehren-
vollen und einträglichen Berus eines Sachwalters. Der Handel, besonders
der Kleinhandel, fand, wenigstens in älterer Zeit, geringen Beifall, und mit
Verachtung sah der Freigeborene auf das Handwerk herab, die Befchäf-
tignng der Sklaven und Freigelassenen. Dagegen stand der Ackerbau
bei dem kernigen Bauernvolke naturgemäß in hohem Ansehen9). In einem
Kriege wurde Cincinnätns oom Pfluge zum Diktator berufen und kehrte,
nachdem er einen glänzenden Sieg errungen, in seine ländliche Stille zurück.
Zweite Periode. Roms Heldenzeit.
§ 23. Die Unterwerfung Italiens.
1. Krieg gegen die Samniter und die Latiner. Als die Römer
im Innern geeinigt waren, unternahmen sie mit voller Kraft den Kampf
gegen die italischen Völker. Zunächst galt es, die Latiner zu bezwingen,
die Gleichstellung mit den Römern verlangten. Die Latiner wurden
besiegt und unterworfen; ihr Schicksal teilten ihre Verbündeten, die Kam- 340.
paner. Dann folgte ein jahrzehntelanges blutiges Ringen mit den tapferen
*) Spötter sagten, daß Vogelschauer einander nicht begegnen könnten, ohne m
lächeln.
, **) Römische Krieger zeigt der Bilderanhang.