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die ein kleines Grundstück besaßen und für dessen Nutznießung an den Herrn
eine jährliche Abgabe zu entrichten hatten, auch bestimmte gewerbliche Arbeiten
ohne sonstige Vergütung leisten mußten.
In den einzelnen Gemeinden oder Markgenossenschaften war man
darauf bedacht, daß die Gewerbe nicht in zu großer Ausdehnung betrieben
wurden. Man verbot, die erzeugten Gegenstände an Leute zu verkaufen, die
außerhalb der Mark wohnten. Überhaupt duldete man in den einzelnen Ge¬
meinden nur eine bestimmte Anzahl von Handwerkern. Der Böttcher hatte die
Erlaubnis, zu seinen Waren das Holz im Walde unentgeltlich zu fällen; doch
über die Gemeindegrenze hinaus durfte er mit seinen Fässern keinen Handel
treiben. Solche Beschränkungen waren sehr natürlich, weil die Gemeinde
darauf bedacht fein mußte, daß beispielsweise nicht ein Handwerker einen Wald,
an dem die ganze Gemeinde Anteil hatte, ausrodete und daraus Waren
verfertigte, um sie im weitesten Umkreise zu verkaufen.
Gold- und Waffenschmiede. Seit den ältesten Zeiten gehörten die
Gewerbe der Gold- und Waffenschmiede zu den freien Handwerken, die auch für
den Markt arbeiten durften. Das Goldschmiedegewerbe haben die Deutschen
erst von den Römern gelernt. Es wurden Geschmeide, Ringe und andere
Schmucksachen von Gold und Silber verfertigt. Die Waffenschmiedekunst ist
wohl von jeher einheimisch gewesen. Schon nach alten Sagen waren oft
Königssöhne gewaltige Meister in dieser Kunst. Unter Karl dem Großen nahm
die deutsche Waffenfabrikation einen großen Aufschwung, zumal er zur An¬
fertigung und zum Tragen von Waffen und Panzern aufmunterte, weil die
Franken ihren Feinden überlegen sein sollten. Die Ausfuhr von Waffen verbot
er jedoch ausdrücklich.
Gilden. Zur Zeit der Karolinger bestanden im Reiche der Franken
verschiedene Vereine oder Gilden zur gegenseitigen Unterstützung in Fällen
der Not. War z. B. ein Gildebruder krank, so mußte ein anderer bei ihm
wachen; starb er, so mußten die übrigrn für fein Begräbnis sorgen. Erlitt er
durch Feuer oder Wasser einen großen Verlust, so hatte jeder Genosse für ihn
einen bestimmten Beitrag zu entrichten. Die Gilden hatten Satzungen,
in welchen die Pflichten der Gildebrüder ausgezählt waren. Es gab darin auch
Bestimmungen über die sittliche Führung; ja es war sogar vorgeschrieben, mit
welchem Anstand sich ein Genosse bei Tische zu benehmen hatte. Diesen Gilden,
die sich später in den Städten größere Rechte erwarben, find unsere I n -
n u n g e n und Zünfte der Handwerker nachgebildet worden.
20. Die ältere deutsche Dichtung.
Volkslieder. Der römische Schriftsteller Tacitus berichtet (um 100
n. Chr.), daß die Germanen bei ihren fröhlichen Gelagen Lieder fangen. Ferner
erzählt er, daß sie mit wildem Gesänge in die Schlacht zogen und auch den
Gott Tuisco sowie den Sieger in der Teutoburger Schlacht, Hermann, durch
Lieder gefeiert haben. Leider ist davon nichts Schriftliches auf unsere Zeit
gekommen. Wenngleich Karl der Große die deutschen Volkslieder sammeln und
ausschreiben ließ, gingen diese doch unter seinem Nachfolger Ludwig dem
Frommen verloren ; denn die geistlichen Behörden verboten das Abfingen dieser