§ 65. Kunst und Wissenschaft.
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Rittern nach, das Volk hatte seine Fastnachtsaufzüge, Maifeste und
Freischießen. Fahrende Leute (welche rechtlos waren): Spielleute,
Gaukler, Tierbändiger, zeigten geldgierig ihre Künste. Und wohl war
es nötig, ein Gegengewicht zu haben gegen die bittere Not, welche
in Seuchen, Feuersbrünsten, Teuerung, Raub und Mord zahlreiche
Opfer forderte.
Nenne mittelalterliche Gegensätze.
§ 65. Kunst und Wilsenschaft.
Der gotische Baustil (Fig. 93—105). a) Entstehung. Von
den Geistlichen ging die Pflege der kirchlichen Baukunst über auf
die Bürger. Unter ihren Händen bildete sich gegen Ende des 12. Jahr¬
hunderts im nördlichen Frankreich aus dem romanischen Stile der
Spitzbogenstil*). Nach Deutschland kam er in der ersten Halste
des 13. Jahrhunderts und gedieh hier durch die fest geordneten Ge-
nossenschaften der Maurer und Steinmetzen, die Bauhütten, zu
seiner höchsten Vollendung. In ihnen wurden die Erfahrungen und
Geheimnisse der Kunst von Geschlecht zu Geschlecht überliefert, und
die Banformen erhielten ein einheitlicheres Gepräge als zur roma-
nischen Zeit.
b) Konstruktion. Inneres. Das spitzbogige Kreuzgewölbe
ermöglicht Rechtecke von beliebiger Breite als Grundfläche. Die Rippen
treten als wichtigster Teil des Gewölbes hervor, während das Mauer-
werk mehr zur Ausfüllung dient. Wie überall das Streben herrscht,
die Masse zu gliedern und gleichsam zu vergeistigen, so sind auch die
Pfeiler und Rippen gegliedert. Das Kapital ist ein loser Blätter-
schmuck. An den Seitenwänden des Mittelschiffes folgen aufeinander:
Arkaden, Triforien, Fenster. Letztere sind durch Pfosten und
Maßwerk gegliedert. Der spitzbogig gewölbte Chor ist vielseitig,
gewöhnlich fünf- oder siebenseitig und hat oft einen Umgang und
einen Kapellenkranz.
Äußeres. Der Druck der Gewölbe wird nach außen abgeleitet
durch Strebebogen und Strebepfeiler, welche von Fialen ge-
krönt sind. Die reich verzierte Fassade hat gewöhnlich zwei Türme.
Der Turm besteht in der Regel aus einem viereckigen Unterbau,
einer achteckigen Fortsetzung und einer achteckigen schlanken Pyramide
in durchbrochener Arbeit mit Krabben und Kreuzblume.
*) Gotisch wurde er zuerst von den Italienern genannt, die das Wort in der
Bedeutung „barbarisch" gebrauchten.