57
am Freiheitskampf nicht Theil genommen, aerieth in Krieg mit Hermann,
mußte aber zuletzt zu den Römern fliehen, Die ihm das Gnadenbrot gaben.
Hermann fiel 21 durch die Arglist seiner eigenen Verwandten, welche
ihn beschuldigten, daß er nach Alleinherrschaft gestrebt habe. Er ist der
erste Freiheitsheld der Deutschen, welchem Deutschland die Erhaltung seiner
Unabhängigkeit, seiner Sprache und seiner Sitten verdankt.
2. Bon der Theilung des römischen Reiches bis zur Theilung
des fränkischen Reiches.
§. 29. Die Völkerwanderung.
1. Die kriegslustigen deutschen Völker gingen allmählich von der
Verteidigung gegen die Römer zum Anariff über, und zwar an der
ganzen Nordgrenze des Kaiserreiches, denn sie wohnten auch in dem Heu-
tigert Ungarn und Rußland. Die entarteten Nachkommen der ehemaligen
Welteroberer halfen sich damit, daß sie andere deutsche Kriegsschaareu in
ihren Dienst nahmen. Endlich brach die merkwürdige Begebenheit herein,
welche die Völker vom östlichen Asien bis zum atlantischen Ocean in Be-
weaung setzte, ^>te alte Welt zertrümmerte und Europa eine neue Ordnung
der Dinge in Sprache, Religion, Sitte und Recht gab.
2. In der großen Völkerwanderung, welche fast 200
Jahre dauerte, verließen viele deutsche Völker ihre Wohn-
fitze, drangen in das römische Weltreich ein, welches da-
bei unterging, und stifteten in den Provinzen desselben neue
Reiche. Den Anstoß gaben die Hunnen, ein asiatisches No-
madenvolk, welche 375 in Osteuropa einbrachen. Sie waren
von untersetzter Gestalt, braungelber Farbe, dabei so häßlich, daß man
sie zweibemtcje Bestien nannte. Ihre Kleidung, leinene Kittel oder Felle,
legten sie mcht eher ab, als bis sie selber ro Stücken herabfiel. Sie
lebten von Wurzeln und rohem Fleisch, das sie mürbe ritten. Von ihren
Pferden waren sie unzertrennlich; mit ihnen stürzten sie blitzschnell auf
den Feind, der meist ihrer wilden Tapferkeit unterlag. Ohne Religion,
treulos, grausam, standen sie auf der untersten Stufe menschlicher Bildung.
Sie kamen durch das große Völkerthor Europas am Ural und überschritten
die Wolga.
3. Vor ihnen wichen die im südlichen Rußland wohnenden
Oftgothen auf die Westgothen zurück, welche über die Donau
gingen und im römischen Reiche Wohnsitze erhielten. 393
theilte Kaiser Theodosius d. Gr. das Reich in das weströmische
oder abendländische Kaiserthum mit der Hauptstadt Rom und in
das oströmische, morgenländische, byzantinische oder griechische
Kaiserthnm mit der Hauptstadt Konstantinopel. Die West-
gothen zogen später unter ihrem König Alarich nach Italien.
Als dieser Rom eingeschlossen hatte, erschienen Gesandte in seinem Lager,
welche mit der dickten Volksmenge der Stadt prahlten. Aber Alarich
sagte lachend: Je dichter das Gras, desto leichter das Mähen! Ließ er
sich auch diesmal durch reiche Geschenke zum Abzug bewegen, so kehrte