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mich und diesen meinen Bruder nach dem Tode unsers Vaters 
verfolgt und bis zur gänzlichen Vernichtung zu verderben ge¬ 
sucht hat; da weder die brüderliche Liebe, noch christliche Ge¬ 
sinnung, noch irgendein Vernunstgrund hat bewirken können, 
daß unter gerechten Bedingungen Friede zwischen uns herrsche, 
haben wir endlich gezwungen unsere Sache dem Gerichte des 
allmächtigen Gottes übergeben, um nach seiner Entscheidung 
mit dem zufrieden zu sein, was einem jeden zuerteilt würde. 
Aus diesem Kampfe sind wir, wie ihr wißt, durch Gottes Barm¬ 
herzigkeit als Sieger hervorgegangen, er aber ist besiegt worden 
und ist mit den Seinigen, wohin ein jeder vermochte, geflohen. 
Aber von brüderlicher Liebe getrieben und aus Erbarmen mit 
dem christlichen Volke haben wir jene nicht verfolgen, noch ver¬ 
nichten wollen, sondern haben ihn jetzt, wie auch schon vorher, 
aufgefordert, daß wenigstens nun einem jeden sein Recht gewährt 
werden möge. Darauf aber, nicht zufrieden mit dem göttlichen 
Spruch, hört er nicht auf, mich und diesen meinen Bruder wie¬ 
derum mit feindlicher Macht zu verfolgen, und richtet unsere 
Völker mit Feuer, Raub und Mord zugrunde. Deshalb sind 
wir jetzt von der Not gedrungen zusammengekommen, und da 
wir glauben, daß ihr an unserer beständigen Treue und unver¬ 
änderlichen brüderlichen Liebe zweifelt, haben wir beschlossen, 
diesen Eid zwischen uns in euerer Gegenwart zu schwören. Und 
dies tun wir nicht von irgendwelcher ungerechten Begierde ver¬ 
leitet, sondern damit wir, wenn Gott uns mit euerm Beistand 
Ruhe gibt, sichere Bürgschaft für das gemeine Beste erlangen. 
Wenn ich aber, was fern sei, den Eid, welchen ich meinem 
Bruder schwören werde, jemals zu brechen mich vermessen 
sollte, so spreche ich einen jeden von euch vom Gehorsam und 
dem Eide, welchen ihr mir geschworen habt, los und ledig." 
Und als Karl gleiche Worte in romanischer (alt-französischer) 
Zunge geredet hatte, schwur Ludwig als der ältere in romanischer 
Sprache zuerst, solches zu tun: „Pro Deo amur et pro Christian 
poblo et nostro commun salvament, dist di in avant, in quant Deus 
savir et podir me dunat, si salvarai eo eist meon fradre Karlo, et 
in adiudha et in cadhuna cosa, si cum om per dreit son fradra 
salvar dist, in o quid il mi altresi fazet; et ab Ludher nul plaid 
numquam prindrai, qui meon vol eist meon fradre Karle in damno 
sit.“ Und als Ludwig geendet hatte, beschwor Karl in deutscher 
(althochdeutscher) Zunge Gleiches, indem er sprach: „In Godes minna 
ind in thes Christianes solches ind unser bedhero gehaltnissi, fon 
thesemo dage frammordes, so fram so mir Got gewizei indi mahd 
furgibit, so haldih thesan minan bruodher, soso man mit rethu sinan
	        
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