80 Kap. 79. Weltefte Cultur der Germanen. Berührung mit den Römern.
benes Linnengewand mit dem Gürtel. Der Mann war in Felle wilder Thiere, oder
auch in gewobenen Stoff gekleidet; Manche hatten auch Rüstungen von Eisen und
Stahl. — Ruhten fie von Krieg oder Jagd, fo verkürzten sie sich die Zeit mit Trin¬
ken und Spielen, was die beiden Hauptuntugenden der alten Deutschen waren.
Besonders liebten sie das Würfelspiel so leidenschaftlich, daß mancher Germane sogar
seine Person und Freiheit auf den letzten Wurf fetzte, und wenn er ihn verlor, sich
gutwillig in die Knechtschaft ergab. „Das nennen sie Treue!" fetzt Tacitus in dem
deutschen Sittenspiegel hinzu, den er seinen Römern vorhielt.
Die Beschäftigung des Germanen im Frieden war Viehzucht und Jagd; die
letztere diente ihm als Vorübung für den Krieg; denn Krieger zu fein und im
Kampfe zu sterben, war fem höchster Wunsch und Ruhm. Wehrfähig wurde der
Freie mit dem zwanzigsten Jahre, und dann durfte er am Gericht und an der Volks-
Versammlung Theil nehmen. Waffen waren die lange Lanze mit kurzer Eisenfpitze,
Frame genannt, Schwert, Streithammer, Streitaxt, Keule, Bogen und Pfeil, bemalte
Schilde von Weidengeflecht oder von Holz.
Zu einem allgemeinen Krieg wurde der Heerbann aufgeboten. Davon ber«
schieden war der freiwillige Zusammentritt junger Mannschaft zu einem Beute¬
zug außer Land; und davon wieder verschieden war das Gefolge, das sich als
Waffengenossenschaft um einen Kriegsherrn schaarte und sich ihm auf Tod und
Leben verpflichtete.
Frei war der Germane, wenn er ein Allod oder festes Eigenthum hatte und für
wehrhaft erklärt war; dinglich hörig, wenn er einem Freien für ein Lehensgut
(Feod) oder um sonstigen Unterhalt diente; leibeigen war, wer kein eigenes Recht
hatte. Bei vielen germanischen Stämmen fand sich ein Adel, aus welchem die Gra-
den oder Gaurichter, die Herzoge oder Kriegsführer und die Oberpriester gewählt
wurden. — Könige gab es nur bei wenigen germanischen Völkern.
Die Religion der alten Deutschen war ursprünglich ein ernster Naturdienst
mit hervortretenden sittlichen Zügen. Die Grundzüge ihrer Götterlehre sind in
der Edda, einer Sammlung altnordischer Sagenlieder, enthalten, lieber dem ganzen
All stand der unsichtbare, sich selbst gleiche Schöpfer desselben, Allfadur genannt, aus
welchem ein von ihm abhängiges Göttergeschlecht und die Welt hervorgieng. Die zwölf
Götter, mit Wodan an der Spitze, Asen genannt, sind nicht ewig, so wenig als
die Welt, sondern Allvater wird durch den Weltbrand jene Götter sammt der Welt
zertrümmern und eine neue Welt schaffen, in welcher kein Hebel ist; dann werden die
Afen wiedergeboren in den Himmel zurückkehren, die Bösen aber im Reiche der Hela
(Hölle) bleiben. — Die Seelen der im Kampfe Gefallenen werden von den Walkyren
(Kriegsgöttinnen) nach Walhalla geführt, wo sie die Lieblingsbeschäftigungen ihres
Lebens, Kampf und Gelag, fortsetzen. — Ihre Götter stellten sie weder in Menschenge¬
stalt dar, noch verehrten sie dieselben in Tempeln; vielmehr waren die Stätten der
Verehrung nur Wälder und Haine.
(2.) Cäsar hatte im ersten Jahr seiner Statthalterschaft in Gallien (s. Kap.
73) den Fürsten der Sueven, Ariovist, über den Rhein zurückgedrängt
und die germanischen Stämme der Triboker, Nemeter, Vangionen
(zwischen Rhein und Vogesen), sowie die Ubier (in der Gegend von Köln)
der römischen Herrschaft unterworfen. Dann hatte er zweimal das germani-
sche Gebiet auf der rechten Rheinseite betreten und war in den Gau der
Sigambrer (zwischen Lippe und Sieg) eingedrungen, ohne etwas auszu-
richten. Er hatte daher den Rhein als Grenze gegen die Germanen festge-
halten. Als Augustus das römische Weltreich neuordnete, wurde das linke
Rheinufer, das sogenannte Klein-Germanien, in zwei Provinzen getheilt.
Germanien rechts vom Rhein nannten die Römer Groß-Germanien. Seit-
dem suchten die Römer die Rhein grenze gegen die Einfälle der Germanen
zu befestigen, und August's edler Stiefsohn Drusus schützte den Rhein
von Mainz bis zur Insel der Bataver (zwischen W.ial und Maas) mit fünf¬
zig Castellen. Auch drang er (12 bis 9 v. Chr.) auf vier Zügen in den nord¬
westlichen Theil Deutschlands ein, wo die Gaue der Friesen, Br.ukterer,