Kap. 75. § 282. Antonius' und Kleopatras Tod. Ägypten römische Provinz. 225
und stellte die übrigen am Eingang der Bucht im Hafen von Actium halbmond¬
förmig auf; die 60 ägyptischen Schiffe standen in letzter Linie. — Als Octavians
liburnische Schnellsegler unter Agrippas geschickter Leitung den schwerfälligen Schiffs¬
wall des Antonius durchbrochen hatten, wendete sich Kleopatra, ehe noch das Treffen
allgemein war, mit ihren Schiffen eiligst zur Flucht, und Antonius, in sinnbe-
thörter Pflichtvergefsenheit die Seinen zurücklassend, folgte ihr nach. Indessen dauerte
die Schlacht fort, da des Antonius Entfernung nicht von allen bemerkt worden war,
und endete erst, als Agrippa Feuer in die feindlichen Schiffe werfen ließ und das
Meer mit Toten und Trümmern bedeckt war. — Das Land he er ergab sich erst nach
sieben Tagen auf die völlige Gewißheit von der Flucht des Antonius.
Hierauf zog der Sieger, während an allen Orten die Legionen des
Gegners zu ihm übergingen, über Griechenland und die griechischen In¬
seln nach Syrien, um von dort aus Ägypten zu unterwerfen.
In der Hoffnung, den Octavian ebenfalls in ihr Netz zu ziehen,
unterhandelte Kleopatra insgeheim mit ihm, und nicht
ohne ihr verstecktes Zuthun ging Flotte und Heer zu ihm über. Zornig
über den Verrat wollte Antonius Kleopatra zur Rede stellen: sie aber
hatte sich mit ihren Schätzen in das von ihr erbaute Mausoleum ein¬
geschlossen und veranlaßte ihn durch die falsche Botschaft, sie habe sich den
Tod gegeben, sich in der Verzweiflung in sein Schwert zu stürzen. Da er
vernahm, daß sie noch lebe, verlangte er an ihrer Seite zu sterben. Daher
ließ sie ihn an einem Seile durch die Fallthür zu sich in den Oberstock hinauf¬
ziehen, wo er in ihren Armen verschied. Hierauf versuchte sie noch ihre
letzten Künste, sich von Octavian die Freiheit zu erflehen, und als sie kein
Gehör fand, nahm sie (höchst wahrscheinlich) Gift und entzog ihm dadurch,
wenn auch nicht ihre Schätze, so doch ihre Person für den erwarteten Triumph.
Uber den Tod Kleopatras nur folgendes: Sie hatte schon einige Zeit zuvor an
Verbrechern Giftversuche anstellen lassen, um zu erproben, welches Gift die wenigsten
Schmerzen verursache. — Als sie nachher erfuhr, daß sie mit nach Rom solle geführt
werden, stellte sie sich, als ob sie sich zur Reise anschickte, brachte dem Antonius noch
ein Totenopfer und setzte sich, stets bewacht von einem Freigelassenen des Octavian, im
Einverständnis mit ihren zwei vertrautesten Dienerinnen zur Tafel. Während derselben
brachte ihr ein Landmann ein Körbchen voll schöner Feigen, worauf sie ihren nichts
ahnenden Wächter mit einem Schreiben an Octavian abfertigte und die übrigen
Anwesenden bis auf ihre beiden Vertrauten entließ. Jenes Schreiben an den Octavian
enthielt die Bitte, sie neben Antonius zu begraben. Bestürzt sandte Octavian einige
Vertraute an sie ab: diese fanden Kleopatra in ihrem Königsschmuck auf ihrem
Ruhebette liegend, aber schon entseelt; zu ihren Füßen die eine Dienerin auch fchon
tot, die andere noch das Diadem im Haare ihrer Gebieterin ordnend und gleich da¬
rauf selbst leblos niedersinkend. An einem Arme der Kleopatra fand sich ein kaum
merkbarer Ritz, so daß man vermutete, sie habe sich durch den Biß einer giftigen
Schlange getötet, allein in der ganzen Umgebung fand man keine. Octavian erfüllte
ihren Wunsch und ließ sie mit königlichen Ehren neben Antonius beisetzen.
Nachdem Octavian Ägypten zur römischen Provinz ge¬
macht und dieselbe wegen ihrer für Handel und Krieg so wichtigen Lage
unter seine besondere Verwaltung, also unabhängig vom Senat, gestellt
hatte, kehrte er nach Rom zurück, um nach der Feier eines dreifachen
Triumphes Haud an die Umgestaltung des Reiches zu legen.
6. Rom eine Monarchie.
Kap. 76. Der Principal des Augustus.
Histor. Atlas. Taf. VI b. (Gesch. d. W. XI, 4, 5, 6.)
(283.) Don nun an beherrschte Cäsar Octavianus, unter dem
nachher (im Jahre 27) vom Senat ihm gegebenen Beinamen Augustus
Dittmar, Umriß d. Weltgefch. 12. Aufl. I. 15