fullscreen: Lehr- und Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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aufschreibe, so könne er nicht nachkommen, wo ein solcher Verstoß 
herrühre. 
Margarete schilderte ihm darauf sein Betragen, die Art, wie er 
einnehme und ausgebe, den Mangel an Aufmerksamkeit; selbst seine 
gutmütige Freigebigkeit kam mit in Anschlag, und freilich ließen ihn 
die Folgen seiner Handlungsweise, die ihn so sehr drückten, keine 
Entschuldigung aufbringen. 
Margarete konnte ihren Gatten nicht lange in dieser Verlegen— 
heit lassen, um so weniger, als es ihr so sehr zur Ehre gereichte, ihn 
wieder glücklich zu machen. Sie setzte ihn in Verwunderung, als sie 
zu seinem Geburtstage, der eben eintrat, und an dem sie ihn sonst 
mit etwas Brauchbarem anzubinden pflegte, mit einem Körbchen voll 
Geldrollen ankani. Die verschiedenen Münzsorten waren besonders 
gepackt, und der Inhalt jedes Röllchens war mit schlechter Schrift, 
jedoch sorgfältig, darauf gezeichnet. Wie erstaunte der Mann, als 
er beinahe die Summe, die ihm fehlte, vor sich sah, und die Frau 
ihm versicherte, das Geld gehöre ihm zu! Sie erzählte darauf, was 
sie ihm entzogen, und was durch ihren Fleiß erspart worden sei. 
Sein Verdruß ging in Entzücken über, und die Folge war, daß er 
Ausgabe und Einnahme der Frau völlig übertrug, seine Geschäfte 
nach wie vor, nur mit noch größerem Eifer besorgte, von dem Tage 
an aber keinen Pfennig Geld mehr in die Hände nahm. Margarete 
verwaltete das Amt des Kassierers mit großen Ehren, kein falscher 
Laubthaler, ja kein verrufener Sechser ward angenommen, und durch 
ihre Thätigkeit und Sorgfalt setzien sie sich nach dem Verlaufe von 
zehn Jahren in den Stand, den Gasthof mit allem, was dazu ge— 
hörte, zu kaufen und zu behaupten. Goethe. 
109. Das Lied von der Glocke. 
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1. Fest gemauert in der Erden 
steht die Form, aus Lehm ge— 
brannt. 
Heute muß die Glocke werden! 
Frisch, Gesellen, seid zur Hand! 
Von der Stirne heiß 
rinnen muß der Schweiß, 
soll das Werk den Meister loben; 
doch der Segen kommt von oben. 
Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango.ꝰ) 
wenn gute Reden sie begleiten, 
dann fließt die Arbeit munter fort. 
So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten, 
was durch die schwache Kraft ent— 
springt; 
den schlechten Mann muß man ver— 
achten, 
der nie bedacht, was er vollbringt. 
Das ist's ja, was den Menschen zieret, 
und dazu ward ihm der Verstand, 
daß er im innern Herzen spüret, 
was er erschafft mit seiner Hand. 
I. Zum Werke, das wir ernst bereiten, 
geziemt sich wohl ein ernstes Wort; 
) Lebende rufe ich, Tote beklage ich, Blitze breche ich. Dieses Motto ist die 
Inschrift einer Glocke in Basel. 1, Aꝛe. Meistersprüche, 1I, II ꝛc. Betrachtungen.
	        
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