Kap. 59. § 220. Die spanischen Niederlande. 205 
diesem Lande sich ausgebreitet hatten, ein mäßigendes Gegengewicht ge¬ 
geben, obgleich die Calvinisten sich mehr der Politik widmeten als die 
Lutheraner. 
Die 17 niederländischen Provinzen bestanden aus den 4 Herzogtümern Brabant, 
Limburg, Luxemburg und Geldern, aus den 7 Grafschaften Artois, Henne¬ 
gau, Flandern, Namnr, Zütphen, Holland und Seeland, der Markgraf¬ 
schaft Antwerpen und den 4 Herrschaften Mecheln, Utrecht, Oberysfel und 
Groningen. Jede dieser Provinzen hatte ihre auf Herkommen und Gesetzen beruhende 
eigentümliche Verfassung, welche besonders in Flandern, Brabant, Limburg und 
Holland dem Volke große Freiheiten gewährte. 
Philipp, ein Fürst von eigenwilligem und dabei streng verschlossenem Cha¬ 
rakter, der allenthalben in seinen europäischen und amerikanischen Reichen 
die Aufrechthaltung sowohl der unbeschränkt-monarchischen Gewalt als auch 
des römisch-katholischen Glaubens zu erzielen suchte, dachte nun aber darauf, 
auch in den Niederlanden einerseits die ständischen Freiheiten (Steuerbe¬ 
willigung. unabhängiges Gerichtswesen, Fernhaltung spanischer Truppen 
und Beamten) zu beschränken, anderseits alle und jede Reformation 
durch die Inquisition zu unterdrücken. Zu dem Ende ernannte er 
den Kardinal Granvella (Sohn des berühmten Kanzlers Karl V) zum Erz¬ 
bischof von Mecheln, stellte ihm alle Bistümer (deren Zahl er eigenmächtig 
um 14 vermehrte) unter und gab ihm den Titel eines Groß-Jnqui- 
sitors. 
Die spanische Inquisition (§ 153) war zwar unter Karl V mäßig gehandhabt 
worden, aber Philipp fing gleich bei seinem Regierungsantritt in Spanien wieder 
an, weder Stand noch Alter noch Geschlecht zu verschonen, und überall loderten bei den 
dortigen Auto-da-Fes wieder die Scheiterhaufen, auf denen alle, die nur ein leiser 
Verdacht der Ketzerei oder sonst freier Gesinnung traf, unter Hohn und Spott, oft zur 
Verherrlichung der Hoffeste, verbrannt wurden, wie das selbst bet Philipps Hochzeits¬ 
feier der Fall gewesen war. — Als sich Aragonien gegen Philipp und seine 
Inquisition erhob, unterdrückte er mit castilischen Heeren den Ausstand und ver¬ 
nichtete die letzten Reste altständischer Freiheit; ja während seiner langen 
Regierung legte sich der finsterste Despotismus wie ein erstickender Alp Über die 
pyrenäijche Halbinsel, von der zuletzt jede Spur volkstümlicher Freiheit ver¬ 
schwand. — Nachdem er den von seinem Vater ererbten Krieg mit Frankreich — nach 
dem Siege des Grafen Egmont bei St. Quentin (zu dessen Andenken Philipp, 
einem Gelübde gemäß, den Escorial baute) und nach Egmonts Sieg bei Gräve- 
lingen — durch den Frieden von Chateau-Cambresis 1559 (§ 205 a. E.) 
und durch seine Vermählung mit einer Tochter Heinrichs II von Frankreich beendet 
hatte, stand Spanien auf dem Gipfel seiner Macht, von dem es jedoch durch 
Philipps Streben nach Unterdrückung bürgerlicher und religiöser Freiheit bald wieder 
herabsinken sollte. 
(221.) Um jenen Zweck zu erreichen, legte Philipp vorerst mehr spa¬ 
nische Truppen in die Niederlande und gab seiner doppeltverwitweten Halb¬ 
schwester, der charakterfesten, im Grunde zur Milde geneigten Margareta 
von Parma, als Statthalterin der Niederlande den geschäftsgewandten, 
ganz dem Willen des Königs sich hingebenden Kardinal Granvella an 
die Seite. Dieser aber machte sich durch die strenge Handhabung der von 
Philipp erlassenen Ketzergesetze sowie durch Willkür und Stolz bei dem 
niederländischen hohen Adel, der sich von seinem unter Karl V ihm einge¬ 
räumten Einfluß gänzlich ausgeschlossen sah, sehr verhaßt. 
An der Spitze dieses Adels standen drei Männer aus den höchsten Ge¬ 
schlechtern: der stets besonnene und ruhige, beharrliche und standhafte, zum 
Protestantismus geneigte Prinz Wilhelm von Uassau-Oranien, genannt der
	        
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