322 Kap. 82. § 348. Napoleon in Spanien.
(348.) Hierauf gedachte Napoleon sich die ganze pyrenäische Halbinsel
zu unterwerfen. Bereits hatte er Portugal, das sich weigerte, seine
Häfen dem englischen Handel zu verschließen, durch ein französisches Heer
unter Junot besetzen lassen und das Haus Braganza gestürzt: König
Johann VI floh mit seinen Schätzen nach Brasilien und schlug dort
seinen Hof auf. Nun ließ Napoleon 100,000 Mann in Spanien ein¬
rücken und zwang (indem er eine Zwistigkeit in der bourbomschen Familie
benutzte) den König Karl IV und dessen Sohn Ferdinand in Bayonne,
wohin er sie gelockt hatte, zur Thronentsagung, worauf er die spanische
Krone seinem eigenen Bruder Joseph gab, der dafür Neapel an Mu-
rat abtreten mußte.
Deshalb erfolgte nun aber ein allgemeiner Aufstand der Halbinsel
(unter Palafox). In vielen Städten hatten sich Junten (provisorische
Regierungen) gebildet, welche den Widerstand organisierten und von denen
die meisten sich an die Centraljunta in Sevilla anschlossen. Bewaff¬
nete Freischaren, durch die Berge und Thalschluchten ihres Landes begün¬
stigt und für ihren Glauben und ihre Nationalität alles opfernd, unter¬
hielten allenthalben den Kleinkrieg (Guerilla); nur die „Aufgeklärten" zeig¬
ten sich dem neuen König geneigt, wurden aber als Josephinos von der an¬
dern Partei mißachtet. Anfangs siegten die Franzosen in verschiedenen Gefechten.
Als aber General Dupont bei Baylen (in Andalusien) am 22. Juli 1808
mit 20,000 Franzosen kapitulieren mußte und sich dadurch die Kampf¬
lust der Spanier allenthalben erhöhte, mußte Joseph aus Madrid weichen
und schon zogen sich die französischen Heere nach dem Ebro zurück. Denn
unterdes waren die Engländer unter Wellesley (dem nachmaligen Her¬
zog von Wellington), Moore und andern Generalen in Portugal
gelandet und hatten dort die Franzosen zum Weichen gebracht, und Ju¬
not hatte von Glück zu sagen, daß ihm durch seine Kapitulation von
Cintra mit seinen Truppen die Überfahrt nach Frankreich gewährt
wurde. So schien die pyrenäische Halbinsel für die Franzosen verloren
zu sein.
Mittlerweile hatte Napoleon auf bem Fürstenkongreß zu Erfurt (27. Sept.
bis 14. Okt. 1808) eine persönliche Zusammenkunft mit bem Kaiser Alexanber gehabt
unb ihn zwar nicht für eine engere Verbinbung mit Frankreich zu gewinnen vermocht,
boch aber zu bem Versprechen bewogen, ihm gegen Österreich im Fall eines Krieges
beizustehen.
Jetzt eilte Napoleon persönlich an der Spitze von mehr als 300,000
Mann nach Spanien, besiegte die Engländer und Spanier bei Bur-
gos und in andern Gefechten, nahm Madrid ein und wandte alle Mittel
an, die Herrschaft seines Bruders zu befestigen. Er trat mit neuen Ein-
' richtungen hervor und hob vor allem die Inquisition, das Feudalwesen,
den Rat von Castilien und eine große Zahl Klöster auf, verletzte aber da¬
durch die Spanier nur desto tiefer und verstärkte deren Widerstand gegen
die Fremdherrschaft.
(349.) Weil aber nun Österreich, das noch einmal für die euro¬
päische Freiheit einstehen wollte, nach einer neuen Einrichtung seines Heer-
1809 Wesens im Jahre 1809 an Frankreich den Krieg erklärte, so über¬
ließ Napoleon die Fortsetzung des Kampfes in Spanien seinem Bruder