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wo größere Wälder ober Bergrücken eine scharfe Grenzlinie bildeten. *)
Karl aber durfte bas fortwährenbe Morben, Rauben, Branbstiften an
der Grenze seines Reichs nicht leiben: er mußte bafür sorgen, baß Friede
herrsche, benn er war Kaiser; unb um ben Frieben herbeizuführen, durfte
er auch einen Krieg nicht scheuen.
„Was mußte Karl thun, um auf die Dauer sichere Zustände zu
schaffen? — Um dauernden Frieden, stete Einigkeit herzustellen, mußte
Karl die Sachsen unterwerfen; denn solange das nicht geschah, standen
die Franken und Sachsen sich als feindliche Nachbarn gegenüber. Die
Kriege hörten erst aus, wenn beide Glieder eines Reiches wurden.
Da bie Sachsen Heiben waren, befanb sich Karl auch in Besorgnis
um bie Religion seiner Franken. — Es konnte geschehen, baß biese/ bie
wohl ebensowenig wie bie Deutschen zur Zeit Ottos vollkommene Christen
waren, zum Heibentum herübergezogen würben, wenigstens in ben
Grenzlänbern. Und bei den Sachsen bestanden noch viele heidnische
Laster: Trunksucht (Gelage), Spielsucht (um Waffen 2c., um Frau und
Kind, um die eigene Freiheit), ein Mord wurde nicht hoch angeschlagen,
sogar noch Menschenopfer (wie bei den Slaven) unb selbst Genuß von
Menschenfleisch**). Die Missionsprebiger, bie Karl schickte, morbeten
sie; so blieb ihm nichts übrig als Gewalt. Zuletzt allerbings —
besonbers nachbem ihr Führer Wibukinb (wie der Name eigentlich
lautet) sich hatte taufen lassen — erkannten bie Sachsen, wie wertvoll
bie christliche Religion sei unb blieben ihr nun auch treu. — Die Sage
„Widukinds Taufe" erlaubt einen Blick in bas Seelenleben Wibukinbs.
Er hatte feine Schwäche Karl gegenüber erkannt, ebenso bie Ohnmacht
feiner Götter bem Cyristengott gegenüber. Die christliche Religion, als
die siegreiche muß auch die bessere sein. Diese Gedanken gewinnen in
ihm, wenn auch nur allmählich die Oberhand, und sie veranlassen ihn,
lieh Karl zu unterwerfen und Christ zu werden. Und wie dem Widnkind
erging es bem ganzen Volke ber Sachsen. Die sagenhafte Ausschmückung
aber ist leicht zu erkennen.
Zusammenfassung.
Warum nur die Sachsen sich immer tvieber empörten? — Aus
Liebe zu ihrer heidnischen Religion und deren Gebräuchen; weil sie
glaubten, ihre Götter (die sie nicht in Tempeln, sondern in Hainen
anbeteten; Bäume: Jrminsul***) würden ihnen zum Sieg verhelfen,
und wirklich siegten sie auch manchmal (das Wahre aus der Sage von
Frankfurt); weil sie ihr Vaterland und ihre Freiheit über alles liebten
unb glaubten, sie würben Sklaven, wenn sie zu einem großen Reiche
kämen. Auch wollten sie keine Steuern, keine „Zehnten" bezahlen.
Die Sachsen wollten nicht einmal einem König gehorchen (aber
*) Vgl. Einhard, Kaiser Karls Leben.
**) Vgl. Ranke, S. 149.
***) Ranke, S. 116: „Die Sachsen verehrten die allgemeine Naturgewalt,
welche alles trägt, als ein göttliches Wesen bei der Jrminsnl in dem für heilig er¬
achteten Osninggebirge".