Full text: Lehrbuch für den Geschichtsunterricht an höheren Schulen

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bürg, dann Berlin zu. „Lieber tausendmal sterben, als das 
noch einmal erleben," so schilderte später Gneisenau die Greuel 
jener Nacht. Die einzelnen Abteilungen wurden ruhmlos ge- 
sangen. Heldenmütig schlugen sich Blücher und Scharn- 
Horst nach Mecklenburg und Lübeck durch; dort mußten sie 
die Waffen strecken. 
Königin Luise hatte ihren Gemahl in den Krieg be- 
gleitet. Auf der Flucht traf sie zu Schwedt an der Oder 
ihre zwei ältesten Söhne: „Ihr seht mich in Thräuen", sagte 
sie, „ich beweine den Untergang der Armee. Ruft künftig, 
wenn eure Mutter nicht mehr lebt, diese unglückliche Stunde 
in euer Gedächtnis zurück. Arbeitet, entwickelt eure Kräfte! 
Vielleicht senkt sich der Schutzgeist Preußens auf euch nieder. 
Befreit dann euer Volk von der Schande, wie der Große 
Kurfürst bei Fehrbellin die Schmach seines Vaters rächte. 
Könnt ihr aber mit aller Anstrengung den niedergebeugten 
Staat nicht wieder aufrichten, so sucht den Tod, wie ihn Prinz 
Ludwig Ferdinand gesucht hat!" 
Napoleon kam vom Schlachtfelde nach Weimar; die 
Herzogin rechtfertigte in langer Unterredung das Bündnis 
ihres Gemahls mit Preußen so kühn und geschickt, daß der 
Kaiser sagte: „Eine Frau, die nicht einmal vor unseren 200 
Kanonen Angst hat." In derselben Nacht wurde Goethe 
durch seine Gemahlin den Mörderhänden französischer Plün- 
derer entrissen. 
4. Vierzehn Tage nach der Schlacht zog Napoleon in 
Berlin ein. Er schickte den Degen Friedrichs des Großen 
nach Paris sowie das von Gottfried Schadow gegossene 
Viergespann der Viktoria vom Brandenburger Thor, das Fried¬ 
rich Wilhelm IL erbaut hatte. 
Schmachvoll wurden die Festungen durch die meist 
steinalten Kommandanten ausgeliefert: in Stettin ergaben sich 
5000 Mann an 800 französische Reiter; Magdeburg kapitu- 
lierte nach den ersten feindlichen Schüssen mit 24 000 Mann, 
6500 Pferden und 577 Geschützen. „Preußen ist ver- 
schwnnden," schrieb Napoleon an den Sultan. 
Nur Danzig wurde mit wohlverdienten Kriegsehren 
übergeben. Grandenz hielt sich bis zum Frieden. Als der 
Unterhändler (Parlamentär) andeutete, es gebe keinen König 
von Preußen mehr, antwortete General Conrbiere auf 
deutsch: „Gut, dann bin ich König von Graudenz!" 
5. In Kolberg wies der Kommandant Oberst von 
Lncadon die Mithilfe der Bürgerschaft hochmütig ab, und der 
Dragonerleutnant Schill, der mit einem Freicorps dem
	        
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