Full text: Deutsche Geschichte der Neuzeit (Bd. 3)

Teilung Polens. 
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Der Bürgerstand war verschwindend klein, die Bauernschaft gedrückt und 
verwahrlost. 
Erste Teilung 1772: Nach den beiden sächsischen Königen (1697 1772 
bis 1763) drängte die Kaiserin Katharina II. von Rußland den Polen 
ihren Günstling Stanislaus Poniatowski als König aus und veranlaßte 
ihn, den Dissidenten d. h. den griechisch-katholischen und den protestantischen 
Einwohnern gleiche Rechte mit den römisch-katholischen zu geben. Der 
Bürgerkrieg, der deshalb in Polen ausbrach, entsprach den Absichten Ruß- 
lands. Die Russen ließen zum Schutz ihrer bestochenen Freunde Tuppen 
einrücken, vor denen sich die Häupter der Gegenpartei aus türkisches Gebiet 
flüchteten 1768. Die Folge war ein türkisch-russischer Krieg. Die Russen 
siegten, und als Siegespreis, den sie von den Türken verlangen konnten, 
schienen sie sich die Donausürstentümer, Moldau und Walachei, ausersehen 
zu haben. Friedrich II. und Joseph II., die sich gegenseitig besucht und 
verständigt hatten, schlugen der Kaiserin Katharina II. statt dessen eine 
Teilung Polens vor. Als diese darauf einging, wurden 1772 von Polen 
im Osten, im Südwesten und Nordwesten 200000 qkm abgerissen. Ru߬ 
land erhielt davon 3/6, Osterreich 2/6 (Galizien) und Preußen etwa 
7« (Westpreußen, aber ohne Danzig und Thorn). 
Die Gründe, welche Friedrich II. und Joseph II. vorbrachten, waren nicht viel 
besser als die Ludwigs XIV. für seine Reunionen. Reunionen waren Preußens und 
Österreichs Erwerbungen insofern, als Westpreußen einst mit Ostpreußen, Galizien 
mit Ungarn verbunden gewesen war. Friedrich II. nannte sich jetzt König von 
Preußen und sorgte aufs beste für das heruntergekommene Westpreußen. 
Zweite Teilung 1793: Vaterlandsliebende Männer wollten die 1793 
beiden Hauptübel des polnischen Staatswesens, das Wahlkönigtum und 
das liberum veto, abschaffen. Aber Katharina II. wollte Polen nicht er- 
starken lassen und widersetzte sich jenen heilsamen Beschlüssen mit Waffen- 
gewalt. Um den Russen nicht allein das Feld zu lassen, ließ Friedrich 
Wilhelm II. (1786—1797) auch preußische Truppen in Polen einrücken. 
Stillschweigend genehmigte der polnische Reichstag, daß Polen abermals 
um 300000 qkm verkleinert wurde. Etwa 4/e der Beute fielen an Ruß- 
land; Preußen erhielt die heutige Provinz Posen und die Städte Danzig 
und Thorn (Österreich ging diesmal leer aus). 
Dritte Teilung 1795: Gegen diese Vergewaltigung erhoben sich 1795 
die Polen unter Thaddäus Kosciuszko; sie wurden aber geschlagen. Das 
Ende Polens (finis Poloniae) war gekommen. Von den noch übrigen 
200000 qkm nahm Rußland etwa die Hälfte, Österreichs Anteil ent¬ 
hielt Krakau, der Preußens Warschau. 
Vogel, Geschichte III. 2. Aufl.
	        
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