Full text: Deutsche Geschichte im Mittelalter (Bd. 2)

Germanien und Germanen. 9 
bürg), Castra Batäva (Passau), Juvävum (Salzburg), Vindoböna (Wien). 
— Alle diese Städte wurden durch Straßen untereinander verbunden und 
die Entfernungen genau durch Meilensteine angegeben. 
Diese römischen Militärkolonien brachten Keime höherer Bildung 
(Kultur) nach Deutschland, freilich zugleich auch manche Laster. Die vornehmen 
Römer, die als Offiziere oder Beamte in dies unwirtliche Land geschickt 
wurden, ließen sich behagliche ^Wohnhäuser mit Heizvorrichtungen bauen; selbst 
die geliebten Bäder wollten sie nicht missen. Auch spürten sie die Heilquellen 
von Wiesbaden (aquae Mattiäcae) und von Baden (aquae Aureliae) auf. 
Die römischen Soldaten mußten nicht nur die großen Schanzarbeiten leisten, 
Straßen bauen und Gebäude aufführen, wozu sie die Ziegel selber brannten, 
einsichtige Feldherren hielten ihre müßigen Soldaten auch dazu an, Kanäle 
zu graben, Sümpfe auszutrocknen und das Land zu kultivieren. So wurde 
durch die Römer auch der Weinstock am Rhein heimisch. 
Daß die Römer im Haus-, Land- und Weinbau, im Handel und Verkehr 
unsere Lehrmeister waren, bezeugt schon die Sprache: Mauer (murus), Kalk (ealx), 
Mörtel (mortarium), Ziegel (tegnla), Fenster (fenestra), Pfosten (postis), Söller 
(solarium), Speicher (spicarium), Keller (cellarium); Wicke (vicia), Kohl (caulis), 
Rettich (radix), Sichel (secula), Flegel (flagellum); Wein (vinum), Winzer (vinitor), 
Most (mustum), Kufe (cupa), Kelch (calix); Pfund (pondus), Münze (moneta), 
Straße (strata, seil, via), Meile (milia). 
Germanien und Germanen jenseits der Grenze. 
9 Ganz anders als diesseits der Grenze, wo das Römerwm zu über- 
wuchern drohte, sah es jenseits derselben aus, im freien Germanien, 
auch Germania magna genannt. Der freie Germane überschritt nur ungern 
die römische Grenze, wo er seine Waffen abzulegen und Abgaben zu entrichten 
hatte. Es war ein Glück, daß sich die Deutschen von einer Berührung mit 
dem schon schwer kranken Römertum fern hielten; andererseits war es aber 
auch ein Segen, daß die germanische Völkerflut von den Römern aufgestaut 
wurde. Die Deutschen wurden dadurch vor Zersplitterung bewahrt, traten 
sich untereinander näher und sahen sich, in feste Grenzen eingezwängt, genötigt, 
ihr Land besser zu bewirtschaften und vom Nomadenleben mehr und mehr 
zum Ackerbau, der Grundlage jeder höheren Gesittung, überzugehen'). 
Natürlich haben sich Römer und Germanen an den Grenzen nicht vollständig 
voneinander abgeschlossen. Wie unsere Altvordern diesem friedlichen Verkehr manche 
Förderung verdankten, so verdanken wir ihm eine genauere Kenntnis des alten 
J) Cäsar (B. G. VI 22) sagt noch von den Germanen: agri culturae non student, 
maiorque pars eorum victus in lacte caseo carne consistit.
	        
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