Full text: Deutsche Geschichte im Mittelalter (Bd. 2)

Die Germanen. 13 
oder auch nur einen freien Mann zu binden oder zu schlagen, stand allein 
den Priestern zu. Geschriebene Gesetze gab es nicht; mehr galten bei den 
Deutschen gute (Sitten1.) 
z Einteilung der Staaten und der Stände: Zu einem Gesamt- 
staat haben es die Germanen (gleich den Griechen) nicht gebracht. Jeder 
Stamm bildete für sich ein Gemeinwesen und zerfiel in Gaue (pagi) und 
Hundertschaften. Die Hundertschaft bestand aus 100 oder 120 (— Gro߬ 
hundert) Haushaltungen, oder aus so viel Familien als nötig waren, um 
100 oder 120 Krieger zu stellen. An der Spitze einzelner Stämme stand 
ein König (rex), die meisten hatten nur zu Kriegszeiten ein gemeinsames 
Oberhaupt, indem sie den Tapfersten zum Herzog (dux) wählten; im Frieden 
regierten die Gauvorsteher (principes). — Staatsbürgerliche Rechte Hattert 
nur die Freien; sie zerfielen in Gemeinfreie und Edelinge. Den Edelingen 
verschaffte ihr größerer Besitz wohl mehr Ansehen, aber nicht mehr Rechte 
als den Gemeinfreien. Die Unfreien schieden sich in Knechte (Schalke) und 
Hörige (Liten). Beide erhielten manchmal Stücke eines größeren Gutes zu 
selbständiger Bewirtschaftung; nur mußten sie einen bestimmten Teil des 
Ertrages abliefern. Die Freigelassenen konnten sogar persönliches Eigentum 
erwerben. Wer einen Freigelassenen erschlug, mußte Wergeld bezahlen; 
über einen Knecht konnte sein Herr wie über eine Ware verfügen. 
Volksversammlung: Nicht den Fürsten, sondern der Volks- 
Versammlung^) stand in den wichtigsten Angelegenheiten die Entscheidung 
zu. Sie hatte über Krieg und Frieden zu bestimmen, Fürsten und Herzoge 
zu wählen, Gericht zu halten, die Jünglinge durch Verleihung von Speer 
und Schild unter die Zahl der wehrhaften Männer aufzunehmen. Sie fand, 
außer in dringlichen Fällen, regelmäßig zur Zeit des Neumondes oder des 
Vollmondes statt. Zutritt hatten alle wehrhaften freien Männer. Eröffnet 
wurde sie durch Priester, die Frieden geboten. Jedem stand es frei zu 
sprechen; doch sprachen natürlich gewöhnlich nur die angesehensten Männer. 
Die übrigen beschränkten sich darauf, entweder durch Waffenklirren ihren 
Beifall oder durch Murren ihr Mißfallen auszudrücken. Für die besonderen 
Angelegenheiten der einzelnen Gaue gab es auch Gauversammlungen. 
Heer und Gefolge: Jeder wehrhafte Mann war wehrpflichtig. 
Die Kraft des Heeres, das sich aus Hundertschaften zusammensetzte, so daß 
Sippe neben Sippe stand, lag im Fußvolk; doch waren die Germanen auch 
*) Plus ibi boni mores valent quam alibi bonae leges (Tac. Germ. 19). 
2) Genannt das Ding, von dingen — einen Vertrag machen, verhandeln.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.