Full text: Mittelstufe: Erster Kursus (Teil 3, [Schülerband])

» 
— 198 — 
sie fischten eine große Masse Silber, Gold und Erz und andere Kostbar¬ 
keiten heraus und auch die erzenen Stadttore, die sie nach Wisby auf der 
Insel Gothland brachten, wohin sich denn auch der Handel Winetas zog. 
Man erzählt, daß man noch heute bei stillem Wetter und ruhiger 
See die versunkene Stadt sehen kann; da wandeln große, wunderliche 
Gestalten in weiten, faltigen Kleidern durch die Straßen, oft sitzen sie 
auch auf großen, schwarzen Pferden oder in goldenen Wagen. Manch¬ 
mal gehen sie fröhlich und geschäftig umher, manchmal bewegen sie sich 
in langsamen Trauerzügen und begleiten einen Sarg zu Grabe. Die 
silbernen Glocken läuten noch jeden Abend zur Vesper, und wenn kein 
Sturm auf der See ist, kann man sie wie weit aus der Ferne hören. 
Die Stadt soll ihren Untergang in den Tagen vom Karfreitag bis 
zum Ostermorgen gefunden haben, und am Ostermorgen ganz in der 
Frühe steigt sie als warnendes Schreckbild der Abgötterei und Üppigkeit 
mit allen ihren Häusern, Kirchen, Toren, Brücken und Trümmern 
aus dem Wasser hervor, und man sieht sie auf den Wellen schwanken; 
man sagt dann: „sie wafelt". Bei Nacht und bei stürmischem Wetter 
darf sich kein Fahrzeug den Trümmern der alten Stadt nahen; jedes 
Schiff wird dann ohne Gnade an die Felsen geworfen, wo es zerschellt, 
und die Mannschaft findet in den Fluten ihr Grab. Niemand ist imstande, 
sie zu retten. Marie Schäling (Sagen aus preuß. Landen). 
153. Hamburg und die Mündung der Elbe. 
Hamburg ist eine Schöpfung der mündenden Elbe. Verschiedene 
natürliche Umstände kamen zusammen, um hier eine mächtige Handels¬ 
stadt ins Leben zu rufen. Jnselbildend teilt sich der Strom in mehrere 
Arme und gewährte dadurch einen bequemen Übergang nach der gegen¬ 
überliegenden Küste, wo bei Harburg die hohe Geest inmitten der Marsch 
auf eine kurze Strecke unmittelbar den Strom berührt und vor der 
Zeit des heutigen Wegebaues nur an dieser Stelle den Zugang zuließ. 
Nicht unbedeutende Höhen auf dem rechten Ufer boten Gelegenheit zur 
Ansiedelung, während die Einmündung der Alster die Herstellung von 
Binnenhäfen ermöglichte und die Tiefe des Flusses auch den größten 
Handelsschiffen bei Hochwasser noch den Zugang gestattete. Indes sind 
die gegenwärtigen günstigen Verhältnisse keineswegs eine bloße Gabe 
der Natur; nur mit bewunderungswürdiger Energie und Ausdauer, unter 
vielen Kämpfen mit eifersüchtigen Nachbarn, die durch Gründung von 
Glückstadt und Altona ihren Handel zu schädigen suchten, durch jahr¬ 
hundertelang fortgesetzte Zudeichung von Elbarmen und Anlegung von 
Durchstichen ist es den Hamburgern gelungen, den Hauptarm des Flusses 
an ihre Stadt heranzuzwingen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.