430 Die Cultur der Griechen. 
versenkte. Das Orakel hieß die Fischer den Dreifuß dem zu geben, der, „was ist, 
erkennt und was künftig ist, voraussieht". Die Milesier wollten ihn nun dem 
Thales von MUet geben, aber dieser rieth ihn einem Weiseren zuzuschicken und 
so kam derselbe der Reihe nach an alle 7 Weisen, welche ihn alle aus Bescheidenheit 
ausschlugen, bis ihn zuletzt Solon dem Apollo n, als dem Weisesten der Weisen 
nach Delphi schickte. 
Die ionische und die eleatische Philosophie. 
Wie das Epos und die Lyrik entstand auch die Philosophie in den 
ionischen Städten Kleinasiens. Die hier gegründete Philosophenschule wird die 
ionische genannt. Sie suchte die Welt in ihrer sinnlichen Erscheinung zu er- 
forschen, Ahre Anhänger nahmen immer eines der Elemente als Urftoff aller Dinge 
an: die einen das Wasser, die andern das Feuer und wieder andere den 
Äther oder die Erde; noch Andere nahmen einen aus kleinen Theilen (Atomen) 
bestehenden Urstoff an, der sich nur ändere je nach der Art des Zusammen- oder 
Auseinandergehens dieser Theile. Die wichtigsten Philosophen der ionischen Schule 
waren: 1. Thales von Milet s. oben, der Schöpfer der ionischen Schule. Er 
nahm an, dass die Welt aus dem Feuchten hervorgebildet sei. In die in Ägypten 
und Babylonien ausgebildete Himmelskunde eingeweiht, sagte er den Griechen 610 
v. Chr. zuerst eine Sonnenftnsterniss voraus und bestimmte das Jahr aus 365 *) Tage, 
wie er überhaupt die ersten Kenntnisse der Mathematik und der Astronomie aus 
Ägypten nach Griechenland brachte. 2. Anaximandros, welcher mit seiner 
Schrift „über die Natur" die philosophische Schriftstellern der Griechen begann und 
zugleich der erste war, der eine Art Länderkarte zeichnete. Er nahm ein Urwesen 
an, dem er den Namen des Unendlichen gab, aus dem Alles hervorgegangen sei 
und in das Alles zurückgehe. 3. Anaximenes aus Milet, welcher die Lust als den 
Urstoff aller Dinge annahm. 4. Herakleitos (Heraklttus), welcher um 500 v. Chr. 
zu Ephesos lebte. Er war so berühmt, dass sich Dareios Hystaspes um seinen 
philosophischen Unterricht bewarb. Sein Werk „von der Natur" war in dem 
Tempel der ephesischen Artemis niedergelegt. Seine Philosophie schloss sich 
zwar an die ionische an, er ging aber in der Lehre vom allgemeinen Fließen 
und Bewegen der Dinge weit über dieselbe hinaus. Das Feuer war nach ihm 
der Urstoff und durchdrang in ewigem Kreislauf alle Dinge, sie durch seinen 
schöpferischen Wärmestoff erzeugend und wieder auflösend. Der Mittelpunkt 
seiner Naturbetrachtung ist der Gedanke, dass Nichts eigentlich sei, sondern 
Alles beständig werde und vergehe. 5. Demo krltos von A'bdmx, welcher 
460—370 v. Chr. lebte. Er war der Schöpfer der Atomenlehre. Der Körper war 
ihm das Gefäß des Geistes, in dessen Ausbildung er den sittlichen Vorzug des 
Menschen erkannte und er, der lachende Philosoph (so genannt im Gegensatze zu dem 
ernsten, dem weinenden Heraklitos), empfiehlt, wie auch Heräklettos that, Seelenruhe 
und Gleicknnuth im Wechsel aller Dinge in denen er die Glückseligkeit, die er als 
Lebenszweck ansah, suchte. Heräkleitos und Demökrttos neigen schon zur eleatischen 
Philosophenschule. 6 Anaxagöras von Klazomenä, welcher der erste Philosoph 
war, der in Athen lehrend auftrat um 456 v. Chr., wo er Freund und Lehrer des 
Perikles und des Eunpides wurde. Er war Anhänger der Lehre des Demö'krttos 
und nahm zuerst einen höchsten Urgeist an, welcher, von der Materie getrennt, die 
Urstosfe des Chaos sonderte, in Bewegung setzte, ordnete und ihnen Gestalt, Farbe 
und Änmuth gab. 
Da die Lehren der Philosophen im grellsten Gegensatze zu den Lehren des 
griechischen Volksglaubens standen, wurden die Philosophen in den griechischen 
Staaten bald verfolgt. Anaxagöras konnte nur mit Mühe und mit des mäch- 
tigen Perikles Hülfe aus Athen entfliehen (f. § 48). Einem andern Philosophen 
wurde in Athen eine Schandsäule errichtet; während die Bücher des Protagöras 
von Abdera, welcher gesagt hatte, er wisse nicht, ob es Götter gebe, verbrannt wur- 
den, das erste Beispiel der Bücherverbrennung. Ein anderer Philosoph, Prodi kos 
von Keos hatte gesagt, der Glaube an die Götter sei so entstanden, dass die Menschen 
ihnen besonders nützliche Naturerscheinungen vergöttert hätten. Er wurde als Atheist 
(Gottesleugner) verurtheilt und hingerichtet. 
In Unteritalien bildete sich eine besondere Philosophenschule, nach der Stadt 
Elsa die eleatische Philosophie genannt, aus, welche Gott und Welt als 
*) Zu Perikles Zeit hatte Meton einen Kalender geschaffen, in welchem ein großes 
Jahr von 19 Jahren angenommen wurde, ein Zeitraum, nach welchem alle 
Sterne immer wieder an demselben Platze stehen.
	        
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