Das Römerrcich von Augustus bis auf Konstantin.
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stadt in eine Marmorstadt. Auch die Dichtkunst und die Wissenschaft
fanden iu ihm einen Beschützer. Seine vornehmsten Helfer bei diesen
Bestrebungen waren der Feldherr und Staatsmann Agrippa, der Er-
bauer des gewaltigen, kuppelgekrönten Pantheons zu Rom, und Mäcenas,
ein Staatsmann, der sich als Gönner der Dichter einen Namen gemacht
hat. Unter diesen ragen hervor Virgil, der Dichter der Äneide, und die
Lyriker Horaz und Ovid; damals lebte auch der Geschichtschreiber Livius.
Dem Augustus folgte als Kaiser sein Stiefsohn Tiberius. Als Twerius
Feldherr hatte er sich in Germanien Ruhm erworben; als Herrscher aber
war er kein Freund von Eroberungskriegen und rief Germanikus vom
Rheine zurück. Seine Verwaltung des Reichs war sorgfältig und durch
Sparsamkeit ausgezeichnet. Aber er war ein Fürst von düsterem, ver-
schlossenem und mißtrauischem Wesen, und diese Eigenschaften steigerten
sich allmählich mehr und mehr und arteten in Menschenhaß aus; die letzten
Lebensjahre verbrachte er in fast völliger Zurückgezogenheit auf der Insel
Capri, die dem Golf von Neapel vorgelagert ist. Als er einst in eine
todesähnliche Ohnmacht fiel, huldigte seine Umgebung seinem Großneffen
Gajus; und als der greise Kaiser wieder erwachte, wurde er mit Kissen
erstickt.
Gajus, dem die Soldaten den Beinamen Caligula, d.h. Stiefelchen, Caligula
gegeben hatten, weil er als Kind im Lager seines Vaters Germanikus
kleine Soldatenstiefel getragen hatte, war ein verschwenderischer, grausamer,
wahnwitziger Wüterich, dessen Wahlspruch war: „Mögen sie mich hassen,
wenn sie mich nur fürchten!" Er fiel nach kurzer Regierung einer Ver-
fchwörung zum Opfer. Auch fein Nachfolger Claudius, ein Bruder des Claudius
Germanikus, starb keines natürlichen Todes; ihn vergiftete feine Gemahlin
Agrippina, des Germanikus unähnliche Tochter, um ihrem Sohne aus
erster Ehe, Nero, zum Throne zu verhelfen. Dieser war ein Mensch von Nero
mannigfachen künstlerischen Anlagen, aber von maßloser Eitelkeit und zügel-
loser Leidenschaft. Seiner Mutter entledigte er sich, indem er sie auf hinter-
listige Weife ermorden ließ. Seitdem stürzte er sich von einer Ausschweifung
in die andere, während er sich zugleich als Sänger im Theater und als
Wagenlenker im Cirkns vom Volke bewundern ließ. Als ein furchtbarer
Brand einen großen Teil Roms in Afche legte, schob er die Schuld auf
die Christen, deren viele in grausamster Weife von ihm hingerichtet wurden.
Die Stadt ließ er auf das prächtigste wieder aufbauen und errichtete sich
selbst einen glänzenden Palast, das „goldene Haus". Endlich wurde er
durch einen Aufstand gestürzt, floh aus Rom auf ein nahes Landgut und 68
ließ sich von einem Sklaven' töten.