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Deutsche Geschichte bis zur Gründung des nationalen Staats 919.
afiert und Syrien, sind wohl nie so glücklich gewesen wie im zweiten Jahr-
hundert n. Chr. Indessen dehnte sich der Großgrundbesitz immer riefen-
haster aus. Die reichen Besitzer kauften die kleinen Bauern aus; immer
mehr verödete infolgedessen das flache Land, verfiel der Ackerbau, ging
die Bevölkerung zurück. Das Gewerbe und der Handel mußte unter den
fortwährenden Bürgerkriegen und der wachsenden Unsicherheit auf das
schwerste leiden. Dazu trat der furchtbare Steuerdruck, der alle Erwerbs-
arbeit lähmte; denn jeder, bei dem man höheren Wohlstand vermutete,
wurde desto stärker zu den Steuern herangezogen.
Vaterlandsliebe war kaum mehr zu finden; das Weltreich verlangte
Gehorsam, nicht freie Hingebung, und andrerseits war die Not der Zeit
so groß, daß jeder vor allem bemüht war, das eigene Dasein zu retten.
Dem Heeresdienst suchten sich die meisten zu entziehen, so daß man in
die Legionen immer mehr Barbaren, vornehmlich Germanen, aufnahm und
das römische Heer schließlich zum großen Teile aus Fremden bestand. In-
Religion zwischen verlor der alte Götterglaube seine Kraft. Zu Aberglauben
und Zauberei nahm man seine Zuflucht, und ägyptische und orientalische
Gottheiten fanden viele Verehrer; besonders große Verbreitung fand der
Gottesdienst des persischen Lichtgottes Mithras, den die Soldaten bis
an die Ufer des Rheins trugen.
ChMen- § 12. Das Christentum. Unter dem Kaiser Augustus war Jesus
tum Christus, der Heiland der Welt, zu Bethlehem geboren worden; unter
Tiberius war er in Judäa und Galiläa aufgetreten und, von den Juden an-
geklagt, auf Befehl des Landpflegers Pontius Pilatus hingerichtet worden.
Seine Apostel, vor allen Paulus, breiteten das Evangelium bald unter Juden
und Heiden aus, und an vielen Orten, auch in Rom, entstanden christ-
liche Gemeinden. Unter Nero waren die Christen zuerst verfolgt worden;
dann folgte besonders deshalb, weil sie den Bildern der römischen Kaiser
die göttliche Verehrung weigerten, Verfolgung auf Verfolgung. Aber wenn
auch gar manche sich einschüchtern ließen nnd ihren Glauben widerriefen,
viele andere als Märtyrer für das Evangelium den Tod erleiden mußten,
so gelang es den römischen Herrschern doch nicht das Christentum auszu¬
rotten. Es waren vornehmlich die Armen und Elenden, die sich ihm an-
schlössen; aber auch unter den höheren Ständen fand es todesmutige Be-
kenner. Von Land zu Semd, von Provinz zu Provinz wurde es getragen;
es entstand eine Kirchenverfassung, indem Bischöfe (d.h. Aufseher) an
die Spitze größerer Kirchenbezirke gestellt wurden; und schon damals genoß
der römische Bischof eines besonderen Ansehens.