Full text: Geschichte des Mittelalters (Teil 2,1)

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Die deutsche Kaiserzeit 919—1260. 
üchen Befugnisse zu schmälern und beanspruchten es, in den Angelegen- 
Herten des Reichs gehört zu werden und aus den Reichstagen darüber 
zu beraten. Die Einkünfte der deutschen Könige ferner waren sehr ge- 
sunken. Einst hatten sie über ausgedehnte Krongüter geboten: jetzt waren 
diese bis auf geringe Reste als Lehen vergeben und verschleudert. Wer 
in Zukunft die deutsche Krone trug, konnte nicht mehr auf das Reichs- 
gut zählen, sondern mußte ein bedeutendes Familienerbe, eine Haus- 
macht, entweder schon besitzen oder zu gewinnen suchen. Zugleich war 
das Reich ein Wahlreich geworden. Auch stüher hatte der König gewählt 
werden müssen, aber man hatte sich doch meist für den Sohn oder nächsten 
Verwandten des Königs entschieden; jetzt wurde freie Wahl die Regel, 
und die Kurfürsten wählten eine Zeitlang mit Vorliebe solche Fürsten zu 
Königen, die nicht aus der Familie des Herrschers stammten. 
Die Herabminderung der königlichen Macht aber hatte zur Folge 
eine Herabminderung der inneren Einheit und der äußeren Macht des 
8e3££te* deutschen Volkes. Die Zersplitterung Deutschlands nahm von nun 
an fortwährend zu. Die Gebiete der großen Vasallen wurden immer 
mehr zu wirklichen Staaten; Fehden und Kriege zwischen den Reichs- 
deutschen" ständen wurden immer häufiger, und es fehlte der Richter, der schlichtend 
^außen^und strafend hätte einschreiten können. Auch die äußere Macht des 
Reiches nahm ab. Wo in jener Zeit das deutsche Schwert gegen äußere 
Feinde sich kraftvoll erwies, war es selten der König, der es führte. 
Die deutsche Hanse, der Bund niederdeutscher Städte, machte dem deut- 
scheu Namen auch jetzt noch Ehre und erwarb sich gerade in jenen Tagen 
des Verfalls der Königsmacht gewaltiges Ansehen; der deutsche Ritter- 
orden leistete Großes für das deutsche Wesen; aber als die Städte und 
der Orden in Not kamen und von Fremden bedrängt wurden, kamen 
ihnen Kaiser und Reich nicht zu Hilfe. Ober- und Mittelitalien 
ferner, die seit Otto dem Großen für der Hoheit des deutschen Königs 
Untertan gegolten hatten, gingen der deutschen Herrschaft verloren. Ja, 
deutsche Lande lösten sich vom deutschen Reiche los: die Schweiz 
z. B. wurde ein selbständiges Land. So brachte denn die Zeit seit 
dem Interregnum eine zunehmende Auflösung des deutschen 
Reiches. 
§ 79. Volkswirtschaft, Ackerbau, Gewerbe und Handel. Während 
aber das deutsche Staatswesen seinem Verfall entgegenging, erblühte die 
LaFwirt- deutsche Volkswirtschaft und wuchs der deutsche Wohlstand. Die Land- 
Wirtschaft zunächst hatte große Fortschritte gemacht. Deutschland, vor
	        
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