290 Achter Zeitraum. Bis zur Wiederherstellung des Deutschen Reiches.
der Gewerbefreiheit (Aufhebung der Zünfte und Innungen). 2. Die Ein¬
ziehung der geistlichen Güter und der Verkauf zahlreicher Domänen.
3. Die Aufhebung der Steuerfreiheit der Rittergüter. 4. Die Ablösung
der durch Stein aufgehobenen bäuerlichen Lasten (Dienste und Abgaben) gegen
Entschädigung an die Grundherren. 5. Die Verleihung staatsbürgerlicher Rechte
an die Juden.
Die auf Scharnhorsts Vorschlag eingeführten Verbesserungen sind:
1. Die ausschließliche Ergänzung des Heeres aus einheimischen Kan-
tonisten. 2. Die Öffnung der Offizierslaufbahn für alle Stände.
3. Die Abschaffung der entehrenden Strafen. 4. Die Annahme der
Napoleonischen Kriegsweise. Das letzte Ziel Scharnhorsts war die
allgemeine Wehrpflicht. Sie wurde erst bei Beginn des Besreiungs-
krieges für die Dauer desselben eingeführt und endlich am 3. September
1814 als Staatsgesetz verkündet. Als vorläufiger Ersatz diente das
sog. Krümpersystem, wonach die einberufenen Mannschaften rasch ein-
geübt wurden, um dann andern Platz zu machen.
Der Umgestaltung der staatlichen, wirtschaftlichen, sozialen und mili-
tärischen Verhältnisse ging eine nationale und sittlich-religiöse
Wiedergeburt zur Seite, indem patriotische Männer durch Wort,
Schrift und Beispiel werktätige Vaterlandsliebe und einen ernsten, religiösen
Sinn zu wecken verstanden. In Berlin hielt der Philosoph Fichte seine
„Reden an die deutsche Nation". Ebendort sammelte der Theolog und
Philosoph Schleiermacher die vornehmen Kreise um seine Kanzel und
rüttelte sie aus ihrer religiösen Gleichgültigkeit auf. Beide wirkten dann
an der 1810 gegründeten Berliner Universität. Für die Pflege
des deutschen Volkstums trat vor allem der Berliner Gymnasiallehrer
Ludwig Jahn ein. Um dem Vaterlande möglichst viele körperlich und
sittlich tüchtige Streiter zuzuführen, errichtete er auf der Hasenheide bei
Berlin eine Turnanstalt und wurde so der Begründer des deutschen
Turnwesens. In Königsberg bildete sich durch eine Vereinigung von
Vaterlandsfreunden der Tugendbund, der aber, weil er den Ver-
dacht der Franzosen erregte, auf den Wunsch des Königs bald wieder
aufgelöst wurde.
Eine ähnliche Richtung wie die preußischen Patrioten verfolgte die deutsche
Dichterschule der Romantiker, an ihrer Spitze die Brüder August Wil-
Helm und Friedrich von Schlegel. Auch sie bekämpften die Abwendung
vom Deutschtum und erinnerten die Deutschen an ihre Pflichten gegen Gott und
Vaterland. Vor allem aber wiesen sie auf die glänzenden Zeiten des Mittel-
alters hin und weckten das fast gänzlich erstorbene Verständnis für altdeutsche
Art und Kunst zu neuem Leben. (Vgl. Renaissance — Wiedergeburt des
klassischen Altertums und Romantik soviel wie Wiederherstellung des Mittel-
alters.) Im Zusammenhang hiermit steht die Sammlung und Herausgabe alt-