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einen furchtbaren Notstand hervor. Die Schuldenlast Frankreichs hatte
sich übermäßig vermehrt, und die unerschwinglichen Steuern mußten
von dem Bürger und dem leibeigenen Bauer aufgebracht werden, indes
der Adel und die Geistlichkeit Steuerfreiheit genossen, im Besitze aller
höheren Ämter und von zwei Drittel des Grund und Bodens waren.
Verschlimmert wurden diese Verhältnisse durch die Parteilichkeit der
Rechtspflege, durch die von den höheren Ständen ausgehende Sitten-
Verderbnis und die von den Schriftstellern jener Zeit beim Volke er-
zeugte Ansicht, daß nur eine politische Umwälzung so unhaltbare Zu-
stände bessern könne.
Um den Sturm zu beschwören, beschloß Ludwig XVI. 1789 die
seit lange nicht mehr versammelten Reichs stände zu berufen, Vertreter
des Adels, der Geistlichkeit und der Bürgerlichen. Von denselben er-
wartete man die durch mehrere Minister vergeblich versuchte Beseitigung
der Geldverlegenheit. Statt an die Lösung dieser Aufgabe zu gehen,
arbeitete die Versammlung darauf hin, dem despotisch regierten Lande
eine Regierung zu verschaffen, die dem Volke eine mitbeschließende , |
Stimme gab. Von den vielen nun gefaßten Beschlüssen der National-
Versammlung waren die von der Nacht des 4. August nicht bloß für
Frankreich, sondern auch für Deutschland bedeutungsvoll. Es wurden
durch dieselben der Frondienst und andere grundherrlichen Rechte, wie
der Zehent an die Geistlichkeit, abgeschafft. Am meisten erbittert über
das Vorgehen der Nationalversammlung war der Bischof von Trier.
Das Land desselben wurde auch bald der Zufluchtsort sehr vieler
Franzosen, die, mit den neuen Verhältnissen unzufrieden, die Heimat
verlassen hatten. Das Signal zu dieser Emigration hatte der Graf
von Artois, der Bruder Ludwigs XVI., gegeben. Mit seinem älteren
Bruder residierte er in Koblenz, im Bistum Trier, dessen BeHerr-
scher der Bruder seiner Mutter war. Diese zu einem Heere von
20,000 anwachsenden Emigranten drängten den Kaiser zum Ein¬
schreiten gegen Frankreich. Als Kaiser/Leopold II. 1790—1792 und
Friedrich Wilhelm II., der Nachfolger Friedrichs des Großen, eine
Zusammenkunft in Pillnitz zur Besprechung dieser Dinge veranstal-
teten, erschien auch, den beiden Fürsten sehr ungelegen, der Graf von
Artois. Derselbe suchte die Regenten für eine Denkschrift zu gewin¬
nen, die den Krieg mit Frankreich zur Folge haben sollte. Man ver-
stand sich aber nur zu einer Kriegsdrohung und schloß einen Defensiv¬
vertrag, der auch noch aufrecht erhalten wurde, als Kaiser Leopold