Full text: Geschichte des Altertums (Teil 1)

70 
Geschichte der Römer. 
gewesen war, wurde zum Diktator ernannt. Sein Grundsatz war, dem 
Hannibal keine Schlacht zu liefern, sondern ihm vorsichtig, alle seine Be- 
wegungen beobachtend, zu folgen und jedenfalls zu verhindern, daß die 
italischen Städte und Völker zu ihm abfielen. Von dieser Kriegführung hat 
er den Beinamen C u n c t a t o r, der Zauderer, erhalten. 
Hannibals Heer war zu schwach, als daß er Rom hätte angreifen 
können; vielmehr war sein Augenmerk darauf gerichtet, die römischen Bundes- 
genossen für sich zu gewinnen. So durchzog er denn ungehindert Mittel- 
i t a l i e n. Die Römer wagten nicht ihm im Felde entgegenzutreten; aber 
von den Bundesgenossen fiel keiner zu ihm ab. 
2i6. ' Für das Jahr 216 wurden ÄmiliusPaullusundTerentius 
V a r r o zu Konsuln gewählt; jener ein Patrizier, ein Mann von maßvoller, 
vornehmer Gesinnung, dieser ein Führer der Volkspartei, ein leidenschaftlicher 
Mensch von brennendem Ehrgeiz. Mit einem starken Heer von 80 000 
Mann zu Fuß und 6000 Reitern traten sie in Apnlien, in der Gegend von 
Schladt beiCannä, Hannibal gegenüber, der nur 40 000 Mann zu Fuß, aber 10 000 
Reiter bei sich hatte. Paullus suchte nach der Art des Fabius eine Schlacht 
zu vermeiden; Varro aber wünschte sie und stellte an einem Tage, an dem er 
den Oberbefehl führte, das Heer in Schlachtordnung auf. Infolge der 
Überlegenheit der karthagifchen Reiterei und der genialen Feldherrnkunst 
Hannibals wurde das römische Heer trotz tapferer Gegenwehr völlig ge- 
schlagen und vernichtet. Nur wenige Tausend retteten sich aus der Schlacht. 
Paullus fiel, mit ihm viele vornehme und angesehene Männer; und Hanni- 
bals Bruder Mago, der nach Karthago geschickt wurde, um eine Hilfssendung 
zu erbitten, konnte im karthagischen Rat einen Scheffel erbeuteter goldener 
Ringe ausschütten, welche gefallenen römischen Rittern und Senatoren ab- 
gezogen worden waren. 
Schlacht^ war eine der furchtbarsten Niederlagen, welche die Römer je er- 
litten haben. Auch hatte sie bedeutsame Folgen. Zunächst nämlich fiel jetzt 
ein beträchtlicher Teil deritalischenBundesgenossen zu Hannibal 
ab, vor allen C a p u a in Campanien, damals die zweite Stadt Italiens, in 
der das karthagische Heer darauf die Winterquartiere bezog. Ferner schlössen 
die Stadt Syrakus, die, solange der Tyrann Hiero lebte, treu zu Rom 
gehalten hatte, und der den Römern längst feindselig gesinnte König 
Philipp von Macedonien mit Hannibal ein Bündnis. Aber nie 
zeigte Rom mehr Heldenmut und Standhaftigkeit. Dem zurückkehrenden 
Konsul Varro ging der Senat feierlich entgegen und dankte ihm, daß er am 
Vaterlands nicht verzweifelt habe; laute Trauer wurde verboten, ein Ge- 
sandter Hannibals, der über die Auswechselung der Gefangenen verhandeln
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.