Full text: Stoffe und Probleme des Geschichtsunterrichts in höheren Schulen

2 Die Zwecke des Geschichtsunterrichts 
Abzulehnen ist gleichfalls die Forderung, von dem Gesamtstoff des 
historischen Wissens alles das auszuwählen und zu unterrichten, was zur 
„allgemeinen Bildung" gehört, und die Erzielung solcher allgemeinen 
Bildung als Zweck des Unterrichts. Denn erstens ist „allgemeine Bil¬ 
dung" ein ganz unklarer, rein konventioneller Begriff, über den niemals 
theoretische Klarheit zu erreichen ist, der vielmehr von einer Menge 
äußerlicher Zufälligkeiten notwendig abhängig bleiben muß- in der 
Praxis aber werden die Bestrebungen, irgendeine Rrt von „allgemeiner 
Bildung" zu vermitteln, fast unvermeidlich dazu führen, den Zöglingen 
ein buntes Durcheinander praktisch-nützlicher Kenntnisse und Fertig¬ 
keiten beizubringen, das den hohen Namen „Bildung" nicht verdient. In 
so seichtem Grunde möchten wir nicht Anker werfen. 
Huf ganz anderen Boden treten wir mit der wohl am häufigsten 
vertretenen Ansicht, Zweck des Geschichtsunterrichts sei die Stärkung der 
Liebezu Volkstum und Vaterland. In unseren positiven Darlegungen (s. u. 
S. 14—18) werden wir das Berechtigte dieser Forderung gebührend her¬ 
vorheben,- als einziges oderauch nur hauptsächliches 3 i e I des Geschichts¬ 
unterrichts aber können wir die Erweckung der Vaterlandsliebe nicht 
anerkennen, weil diese Wirkung gar nicht organisch aus tDesen und 
Natur des Geschichtsunterrichts hervorgeht, und weil sie im Verhältnis 
zu dem, was er in Wirklichkeit leisten kann und soll, zu einseitig und zu 
eng ist. Alle, die daran Anstoß nehmen, seien darauf hingewiesen, daß 
die „Lehrpläne und £ehraufgaben für die höheren Schulen in Preußen 
von 1901" wohl vorn deutschen Unterricht verlangen, daß er „die 
herzen unserer Jugend für deutsche Sprache, deutsches Volkstum und 
deutsche Geistesgröße zu erwärmen verstehe", und ihm die „besondere 
Aufgabe der Pflege vaterländischen Sinnes" stellen, beim Geschichts¬ 
unterricht aber nichts derart verlauten lassen? Die über den verdacht 
unpatriotischer Gesinnung erhabenen Verfasser der Lehrpläne werden 
für diese Zielbestimmungen ihre triftigen Gründe gehabt haben. 
In der Tat vergrößert die Erhebung des Patriotismus zum Haupt¬ 
zweck des Geschichtsunterrichts eine Reihe von Gefahren, die in gerin¬ 
gerem Grade schon durch andere Umstände herbeigeführt werden. Es 
wird noch zu zeigen sein, daß und warum stets die (Beschichte des eigenen 
Volks und Staats den größten Raum im Unterricht einnehmen muß. 
Dies entspricht berechtigten praktischen Anforderungen, die eben von 
1 Daß dem deutschen Unterricht wegen dieser besonderen Hufgabe „eine enge 
Verbindung mit der (Beschichte" angewiesen wird, hebt das oben (Besagte nicht auf.
	        
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