Full text: Geschichte des Altertums (Teil 1)

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Zweiter Abschnitt. Erster Zeitraum. 
Flügel, Schnäbel und Klauen hatten und ihre Federn gleich Pfeilen abschießen 
konnten. Auch fing er den wütenden Stier, welcher die Gefilde von Kreta 
verheerte, und brachte ihn wie den erymanthischen Eber lebendig zu Eury- 
stheus, welcher das Untier wieder losließ. Die Verwüstungen des Stieres 
in Attika bewogen dann Theseus, ihn zu erlegen. Die Pferde des thra- 
cischen Königs Diomedes, welchen alle Fremdlinge vorgeworfen wurden, führte 
Herakles lebendig zu Schiffe nach Mykenä, wo sie Eurystheus in Gebirgs- 
klüften von wilden Tieren zerreißen ließ. Durch diese Thaten wurde He¬ 
rakles ein Wohlthäter des Menschengeschlechtes; durch die folgenden dagegen 
bereicherte er seinen Gebieter. Zunächst holte er jetzt den kostbaren Gürtel 
der Amazonenkönigin Hippolyte, ein Geschenk des Kriegsgottes 
Ares. Herakles und seine Waffengefährten töteten die Königin samt ihren 
mutigen, kriegsgewohnten Frauen, dann nahm er das Wehrgehänge und brachte 
es der Tochter des Eurystheus. Dem dreiköpfigen Riefen Ger/ones, 
welcher im fernen Westen eine Insel beherrschte, raubte Herakles die schöne 
Herde roter Rinder; aus den Gärten der Hesperiden im äußersten Westen 
der Erde holte er die goldenen Äpfel, welche ein hundertköpfiger Drache 
bewachte. Das mühevollste und schwierigste dieses Unternehmens war das Auf¬ 
suchen dieser Gärten, denn ihre Lage war unbekannt. Darum war ihm der 
Riese Atlas, welcher das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern trug, behilflich; 
Herakles mußte aber, während Atlas die Gärten suchte und die Äpfel er¬ 
beutete, in der Zwischenzeit den Himmel auf feine Schultern nehmen. Die 
gefährlichste Arbeit war die letzte, den dreiköpfigen Kerberos aus der 
Unterwelt zu holen. Herakles stieg am Südende des Peloponnes hinab in 
t>sls düstere Schattenreich des Hades, wo dieser ihm erlaubte, den Höllenhund 
auf die Oberwelt zu bringen, wenn er das Ungetüm ohne Waffen über- 
wältige. Dieses gelang. Eurystheus zitterte bei dem Anblick des furchtbaren 
Wächters der Unterwelt und ließ ihn los, worauf derselbe sogleich wieder 
in die Erde versank. 
Andere Thaten. Außer diesen zwölf Arbeiten schreibt die Sage 
dem Herakles noch eine große Zahl anderer zu, bei deren Ausführung er 
die ganze Erde durchwanderte. Dem König Adm«tos von Thessalien holte 
er seine Gemahlin Alkestis, die freiwillig für ihren Gemahl in den Tod 
gegangen war, aus der Unterwelt. In Elis pflanzte er den Hain Altis 
uttd begründete die olympischen Spiele. Auf seinen Wanderungen kam 
er auch in die Gegend der heutigen Straße von Gibraltar, welche damals 
noch durch zwei Felsen geschlossen war. Herakles versetzte als Denkstein 
seiner Wanderungen den einen derselben nach der Küste von Europa, den 
andern nach der von Afrika, sodaß von da ab diese Felsen die „Säulen 
des Herakles" genannt wurden. So erscheint Herakles in allem, was er 
unternahm und vollbrachte, als die gewaltigste hilfreiche Heldenkraft, welche 
in unausgesetztem Ringen und Streben und nie ermattender Ausdauer im 
Kampfe mit Gefahren und Widerwärtigkeiten das Irdische überragt und zum 
Göttlichen hineinreicht. 
Fehltritte. Trotz feiner Heldenkraft erscheint Herakles aber als Mensch 
nicht frei von menschlichen Schwächen und Fehltritten, für welche er büßen 
muß. Als er den Königssohn fphitus von ÖchÄia auf Euböa im Zorne
	        
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