Full text: Lehrbuch für den erzählenden Geschichts-Unterricht an höheren Schulen

Entlassung. Die Tiroler aber setzten den Kampf fort, und ihr 
Führer, der Sandwirt Andreas Hofer aus dem Passerthal 
bei Meran, führte als „Oberkommandant von Diroll" eine wohl- 
meinende Bauernregierung in Innsbruck. Der Friede zu Schön- 
bruun, dem prächtigen Kaiserschlosse bei Wien, entfernte 
Ästerreich vom Adriatischen Meer. Aus Kram, Kärnten, Friaul, 
sowie aus dem Tiroler Pusterthale schuf Napoleon den neuen 
Franzosenstaat der Jllyrischen Provinzen. Das Etschthal kam 
an das Königreich Italien; nur das Innthal blieb bayerisch. 
Tirol war in drei Teile zerrissen. Doch wurde dem verlassenen 
Völklein Verzeihung (Amnestie) zugesichert. Hofer jedoch nahm 
zum vierten Male für sein geliebtes Kaiserhaus den Kampf auf; 
Napoleon setzte einen Preis auf seinen Kopf und ließ ihn, als 
ein Verräter sein Versteck anzeigte, in Mantua erschießen. Stehend, 
mit unverbundenen Augen sab der fromme Mann dem Tod ent- 
gegen; er gab selbst den Befehl: „Feuer!" 
3. In Preußen wollte Major Ferdinand von Schill, 
„der Held von Kolberg", der Befreier seines Volkes werden, 
wie er sein Liebling war. Gleich beim Ausbruche des Krieges 
führte er, auf eine allgemeine Erhebung rechnend, sein Husaren- 
Regiment ins Feld. Alles blieb still. Da bahnte sich die tapfere 
Schar an der Elbe hinunter eine rühmliche Bahn und warf sich 
in die schwedische Festung Stralsund. Dort fand Schill im 
Straßenkampfe mit Holländern und Dänen den Tod. Elf seiner 
Offiziere wurden gefangen und in Wesel standrechtlich erschossen. 
4. Jetzt kannte Napoleons Herrschsucht keine Grenzen mehr. 
Er ließ den greisen Papst als Gefangenen aus Rom weg- 
schleppen. König Ludwig von Holland, der sich sträubte, sein 
Land durch die Kontinentalsperre zu Grunde zu richten, mußte 
die Krone niederlegen, und Holland wurde als eine Anschwem- 
muug französischer Flüsse Frankreich einverleibt. Auch den Kanton 
Wallis mit seinen Alpenpässen und die drei deutschen Hansa- 
ftäbte samt Oldenburg schlug ein Federstrich des Selbstherrschers 
zum Kaiserreiche, das nunmehr bis an die Ostsee reichte und 
bis tief hinunter an das Abriettische Meer. 
Allein ber ehrgeizige Herrscher hatte keinen Sohn. Da ver- 
stieß er bie arme Josephine, welche bem harten Mann eine 
rührenbe Anhänglichkeit bewahrte bis zum Tobe. Er vermählte 
sich mit Marie Luise, der Tochter des Kaisers Franz II. 
Dem Thronerben, den sie ihm schenkte, verlieh er in der Wiege 
den Titel „König von Rom". 
Während er so in unumschränkter Machtfülle aufbaute und 
zerstörte, grollte fern in Pommern ber alte Blücher: „Er ist 
ein bummer Kerl." 
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