Full text: Geschichtserzählungen

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Uhr, die durch ihre künstliche Einrichtung in Erstaunen setzte. 
War es 12 Uhr mittags, so sprangen an der einen Seite 
Türen auf; 12 Reiter ritten hervor und an der andern 
Seite wieder hinein. Karls Gegengeschenke bestanden in 
Pferden, trefflichen Jagdhunden, feiner Leinwand und andern 
Webarbeiten, welche die fränkischen Frauen sehr geschickt zu 
fertigen verstanden. 
e. Karls Pfalzen. Karl hatte keine bestimmte Re- 
sidenz. Er war bald hier, bald dort; am liebsten jedoch 
wohnte er zu Aachen und zu Ingelheim am Rhein. Dort 
hatte er sich prachtvolle Schlösser (Pfalzen) erbaut. Aachen 
schätzte er wegen seiner warmen Bäder, die schon den alten 
Römern bekannt waren. Während seiner letzten Lebensjahre 
wohnte er beständig dort. 
f. Karls Ende. Die letzten Jahre des großen Kaisers 
waren durch schmerzliche Verluste getrübt. Zwei treffliche 
Söhne starben ihm; nur sein jüngster Sohn Ludwig blieb 
übrig. Als nun der Kaiser fühlte, wie seine Kräfte abnahmen 
und sein Ende herannahte, versammelte er in Aachen die 
Großen seines Reiches und stellte ihnen seinen Sohn als 
Nachfolger in der Kaiserwürde vor. Dann begab er sich im 
vollen Kaiserschmucke, die Krone auf dem Haupte, mit Ludwig 
und der ganzen Versammlung in die Kirche und kniete in 
stillem, andächtigem Gebete vor dem Altare, auf dem eine 
goldne Krone lag. Dann ermahnte er seinen Sohn mit 
lauter Stimme vor allem Volke, Gott zu fürchten und zu 
lieben, für die Kirche zu sorgen, sich gegen seine Schwestern 
allezeit gütig zu erweisen, sein Volk zu lieben wie seine Kinder, 
die Armen zu unterstützen, getreue und gottessürchtige Beamte 
anzustellen, sich selbst aber vor Gott und Menschen jederzeit 
vorwurfsfrei zu halten. „Willst du das alles erfüllen, mein 
Sohn?" fragte zuletzt der Greis. Ludwig versprach es mit 
Tränen. „Wohlan denn, so setze dir selbst die Krone auf, 
und stets möge sie dich an dein Versprechen erinnern." Ludwig 
tat es unter lautem Weinen des Volkes. Nicht lange danach 
ward Karl krank und starb (814). „Vater, in deine Hände 
befehle ich meinen Geist," waren seine letzten Worte. Im 
Dome zu Aachen wurde er bestattet. Man setzte den Leichnam 
auf einen goldnen Stuhl, hängte ihm ein goldnes Kreuz und
	        
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