Full text: Lehr- und Lesebuch der Geschichte von der Gegenwart bis auf Kaiser Karl den Großen

§ 70. Der russisch-türkische Krieg, 1877 bis 1878. 175 
Festung zu räumen. Aber der errungene Vorteil war für die Ver- 
bündeten von geringer Bedeutung. Trotzdem sie durch die Sardinier 
verstärkt wurden, waren sie zu schwach, um den Krieg in das Innere 
Rußlands hinein fortzusetzen. Auch bei den Russen machte sich Er- 
schöpfnng geltend, und so mußte Zar Alexander II., Sohn und Nach¬ 
folger Nikolaus' L, auf die Eroberungspläne verzichten und sich im 
Frieden von Paris zu einigen Abtretungen bequemen. 
§ 70. Der russisch-türkische Krieg, 1877 bis 1878. Jemehr die 
Macht des Sultans sank (Palastrevolutionen), um so heißer erwachte 
bei den der Türkei untergebenen Christen der Wunsch nach Unab- 
hängigkeit. Bereits im Jahre 1866 waren die Donaufürstentümer 
zu einem Fürstentum Rumänien (Karl von Hohenzollern-Sigmaringen) 
vereinigt. Ebenso suchten dann Serbien und Montenegro 1876 die 
türkische Oberhoheit abzuschütteln. Dieser Kampf wurde von Rußland 
eifrig geschürt. Aber trotzdem viele Russen als Freiwillige in das 
serbische Heer eintraten, wurden die Serben doch besiegt und mußten 
sich der Oberhoheit der Türkei wieder fügen. Nun griff Rußland, 
welches schon lange gerüstet hatte, ein und erklärte der Türkei im 
Sommer 1877 den Krieg. Rumänien wurde leicht zur Bundes- 
genossenschast gezwungen und die wichtigsten Plätze an der Donau 
erobert. Allen eilte der General Gurko mit einer Reiterschar kühn 
voran. Schon besetzte er den Schipkapaß und glaubte nach Süden 
zu über den Balkan vordringen zu können, da verschanzten sich die Türken 
unter dem Oberbefehl Osman Paschas bei Plewna (vgl. die 
Karte) und hielten die Russen unter unermeßlichen Schwierigkeiten monate- 
lang fest. Auch von Süden her drangen die Türken in den Balkan 
vor und stürmten unaufhörlich gegen den Schipkapaß an. Doch konnten 
sie ungeachtet aller Tapferkeit die verlorene Stellung nicht wieder- 
gewinnen. Als dann Osman Pascha durch das kraftvolle Eingreifen 
des Generals Totleben endlich zur Ergebung gezwungen war, kamen 
die Russen bald bis vor die Thore Konstantinopels. Da sie nun auch 
in Asien bedeutende Erfolge errungen hatten und von dieser Seite 
ebenfalls gegen Konstantinopel vordrangen, mußten sich die Türken zu 
einem höchst ungünstigen Frieden verstehen. 
Im Interesse der anderen europäischen Großmächte konnte es jedoch 
nicht liegen, die Türkei vollständig in die Hände der Russen fallen zu lassen. 
Aus diesem Grunde kam der Berliner Kongreß 1878 unter dem Vorsitz 
des Fürsten Bismarck, des deutschen Reichskanzlers, zustande, in welchem 
Rußland Gebietserweiterung (Teil von Armenien, Bessarabien) zuge¬ 
standen wurde. Montenegro, Serbien und Rumänien wurden unab- 
Lehr- und Lesebuch der Geschichte. 12
	        
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