Full text: Lehr- und Lesebuch der Geschichte von der Gegenwart bis auf Kaiser Karl den Großen

70 Gewerbe und Verkehr. Handel und Wandel. 
verfertigen, erworben zu haben. Da schon M längerer Zeit Versuche an verschie- 
denen Stellen Europas unternommen worden waren, das chinesische Porzellan, 
welches in hohem Preise stand, nachzuahmen, so mußte auch ein grübelnder, er- 
finderischer Kops wie Böttger leicht zu Aehnlichem angespornt werden. Ehe er aber 
noch hierzu kam, zog er durch Goldmacherversuche die Aufmerksamkeit aus sich. 
Die Mittel hierzu hatte ihm ein griechischer Abenteurer Namens Laskaris ge- 
währt. Als Böttger nun erfuhr, daß man willens sei, ihn an dem neuen 
preußischen Köuigshose als Adepten zu interniren, gab er Fersengeld und flüchtete 
nach Kursachsen. Wie er dort wiederum Goldmacher, später Verfertiger des 
rothen Hartguts, endlich Entdecker und Erfinder des eigentlichen weißen Kaolin- 
Porzellans in Meißen wurde, findet der Leser unter Abschnitt XVII im 1. Kapitel 
dieses Werkes geschildert. 
Eine geheime Korrespondenz, welche Böttger, der schon 1719 starb, während 
der Jahre 1716 und 1717 nach Berlin in der Absicht geführt hatte, um die 
Geheimnisse der kursächsischenPorzellanfabrikation für gutes Geld zu verratheu — 
ein Versuch, welcher dem Adepten sofortige Verhaftung eintrug, mag der erste 
Anlaß gewesen seiu, daß man in iudustrielleu Kreisen der preußischen Haupt- 
stadtNachahmungen versuchte. JmJahre1751 hatte der Kaufmann Wilhelm 
Kaspar Wegeli begonnen, auf seinem Grundstücke an der Ecke der Königs- 
und Neuen Friedrichsstraße Porzellan zu brennen, welches, nach den im deutschen 
Kunstgewerbe- und dem Märkischen Provinzialmuseum zu Berlin verwahrten 
Proben, gar nicht übel ausfiel, aber mit dem Meißenschen Staatsporzellan 
nicht konknrriren konnte, so daß die Fabrik schon 1757 einging. 
Im Jahre 1760 erwarb der uns aus dem I.Kapitel bereits bekanntgewordene 
Kaufmann Johann Ernst Gotzkowsky von einem Künstler Ernst Heinrich 
Reichard das Fabrikationsgeheimniß für 30,060 Mark und richtete in dem, 
den Dorville'schen Erben abgekauften Haufe, Leipziger Straße Nr. 4, eine neue 
Porzellanmanufaktur ein. Nachdem zu Anfang August 1763 Gotzkowsky, 
welcher in Vermögensverfall gerathen war, seine Zahlungen eingestellt hatte, 
übernahm Friedrich H. die Fabrik am 24. August für 675,000 Mark. § 3 des 
Vertrages lautet: „Alle Geheimnisse, Wissenschaften, Künste und Handgriffe, 
worauf fich diese Fabrique gründet, müssen Sr. Königl. Majestät von dem 
:c. Gotzkowsky getreulich entdecket, beschrieben und ausgeantwortet, nicht minder 
von demselben eidlich angelobet werden, daß er davon weder für sich, noch die 
Seinigen etwas zurückhalten und verschweigen, auch für fich uud die Seinigen 
von nun an keinen ferneren Gebrauch machen, noch viel weniger das geringste 
davon an einen Dritten, er fei, wer er wolle, offenbaren, sondern diese Geheim- 
nisse, Wissenschaften und Künste gegen Jedermann außer gegenSe.Köuigl.Majestät 
und Diejenigen, welche vonAllerhöchstdenenselben hierzu legitimirt werden möchten, 
verschwiegen halten nnd mit in seine Grube nehmen wolle." 
Man hielt also das Geheimniß der Fabrikation hier wie in Meißen nnd 
anderen Orten ebenfalls mit großer Strenge aufrecht. Dagegen kann der Vor- 
wurf, der von Marryat (Geschichte der Töpserwaare und des Porzellans) u. A. m. 
gemacht worden ist, Friedrich habe, als er sich Dresdens oder Meißens im Sieben- 
jährigen Kriege bemächtigte, mehrere der besten sächsischen Porzellanmaler, Mo- 
delleure und Chemiker, unter denen Meyer. Klipfel und Böhme genannt werden, 
wider ihren Willen nach Berlin bringen und zwingen lassen, ihre Arbeiten zu
	        
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