Vom Riesen Sigenot.
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seinen Waffenmeister: „Die Riesin hat Euch gar zärtlich umarmt; was wohl
Eure Frau dazu gesagt hätte, wenn sie es gesehen hätte?" Aber der Alte
blieb ernst. „Ihr habt mir damals das Leben gerettet," sagte er, „vielleicht
kommt einmal ein Tag, wo ich Euch gleichen Dienst leisten kann!" — „Ihr
mir?" rief Jung-Dietrich übermütig, „wer sollte mir etwas anhaben, nach-
dem ich den Riesen Grim erschlagen habe?" Der Übermut verdroß den
Alten. „Nehmt Euch in acht," sagte er, „der Riese Sigenot lauert nur
darauf, den Tod seines Neffen an uns zu rächen, und der möchte Euch doch
mehr anhaben!" — „Das erfahre ich erst jetzt?" rief Dietrich, „morgen reite
ich gegen ihn! Und damit du nicht sagen kannst, du habest mich gerettet,
so reite ich allein I" Heftig erschraken alle; aber er war nicht zu halten.
Am nächsten Morgen ritt er davon; nur Hildebrand durfte ihn ein Stückchen
begleiten, dann schickte er ihn heim mit der Weisung: „Bin ich in acht Tagen
nicht zurück, so darfst du ausreiten, meine Leiche zu suchen; nicht eher!"
Tief in den Wald hinein trug ihn fein treues Roß Falke. Da hörte
er ein klägliches Weinen: ein greulicher Riefe hatte ein Zwerglein an feinen
Stock gebunden. „Hilf mir," fchrie der Kleine, „er will mich fressen I"
Dietrich erschlug nach schwerem Kampfe den Unhold; aber es war nicht
Sigenot, nur dessen Knecht. Das Zwerglein aber war ein Sohn Alberichs.
Es flehte Dietrich an, den Kampf mit Sigenot nicht zu wagen; aber als
der Held fest blieb, bat es ihn, wenigstens eine Gabe zu sich zu stecken: es
war ein Zanberstein; wer den bei sich trug, der litt nicht durch Hunger
und Durst und Müdigkeit, und keine giftige Schlange tat ihm etwas zu
leide. Nun ritt Dietrich dahin, bis er einen ungeheuren Riesen schlafend
fand. Alsbald stieg er ab, band Falke an einen Baum und trat näher,
wdem er sich den Helm fester band. Leicht hätte er den Feind im Schlafe
ermorden können; aber das tut kein rechter Held. Er stieß den Riesen an
die Brust, daß der fluchend aufsprang. „Du trägst meines Neffen Helm,"
schrie er, „du bist der Bernerl Jetzt geht es dir ans Leben." Dabei er-
schien er so entsetzlich groß, daß Dietrich sagte: „Fand ich dich alle Tage
hier im Walde, dich weckte ich nie wieder." Nun Hub sich ein furchtbarer
Kampf, der drei ganze Tage dauerte. Oftmals fiel Dietrich unter den Streichen
des Gegners; aber er wurde nicht müde und sprang immer wieder auf;
doch er konnte trotz seines guten Nagelring die Haut des Riesen nicht durch'
bohren. Endlich stürzten beide zu Boden, und es gelang dem Riesen, mit
seiner Last Dietrich unter sich zu drücken. Dann band er ihm Hände und
Füße und trug ihn unter dem Arme fort. „Töte mich!" rief Dietrich ver-
zweifelt. Aber der Riefe warf ihn gebunden in ein tiefes, schwarzes Loch,
roo es wimmelte von giftigen Schlangen. „Da liege und ruhe dich aus!*
rief er. Dietrich aber rief verzweifelt: „Hildebrand, guter Meister, hätte ich
auf dich gehört! Komm und hilf mir!"
Indes waren acht Tage verflossen, und in Bern herrschte große Be>
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