Unseres Kaisers Werdegang.
227
etwa eine andere Seemacht angreifen? — Nein, gewiß nicht, wir wollen
den Frieden; aber seit 1870 hat der Handel Deutschlands ungeheuer zu-
genommen, deutsche Kaufmannsschiffe fahren jetzt auf allen Meeren der Erde.
Wenn aber ein solches Schiff bedroht wird in der Ferne, wenn einem Kauf.
mann in einem fernen Erdteil nicht sein Recht wird, so müssen unsere
Kriegsschiffe hinfahren und dem Deutschen Reiche Respekt verschaffen, und
als man einmal auf einer Insel in Mittel-Amerika eine gerechte Forderung
nicht bezahlen wollte, da legten sich zwei Kriegsschiffe einen halben Tag
vor den Hafen und zeigten die deutsche Flagge, und alsbald wurde bezahlt.
Auch zum Schutze von Kolonien sind die Kriegsschiffe nötig. Das neue
Reich hat nämlich Besitzungen erworben in China, auf den australischen
Inseln und besonders in Afrika, und der Besitz, den es im letzteren Erd¬
teil hat, ist viel größer als das ganze Deutsche Reich. In diese Länder
können nun unsere Auswanderer ziehen und können dort eine neue Heimat
finden als Ackerbauer oder Kaufleute und doch Deutsche bleiben, und aus
der Heimat wird mit den Kolonien lebhafter Handel getrieben. In diesen gibt
es aber auch mancherlei Unruhen, daher müssen sich dort Kriegsschiffe auf¬
halten, und die deutsche Flagge und das deutsche „Flottenlied" unserer See¬
leute werden dort immer mit Jubel begrüßt.
Ein anderes Werk der Neuzeit hängt auch mit der Sorge für die Flotte
zusammen. Wir haben zwei deutsche Meere: die Nord- und die Ostsee, und
wenn unsere Schiffe von einem zum andern wollten, so mußten sie früher
durch die engen Straßen zwischen den dänischen Inseln fahren. Das konnte
im Kriege gefährlich werden. So wurde ein Kanal quer durch Holstein ge¬
baut, der Nord- und Ostsee miteinander verbindet, der Nordostsee-
Kanal oder Kais er-Wilhelms-Kanal. Er wurde von Kaiser Wil¬
helm I. begonnen und 1895 durch unseren Kaiser feierlich eingeweiht. Seit¬
dem fahren unsere Schiffe von der Nordsee in die Ostsee, ohne fremdes Ge¬
biet zu berühren. Der Kaiser selbst aber fährt oft hindurch auf seinem
schlanken weißen Schiff „Hohenzollern". Auch sonst fördert er überall Gewerbe
und Handel. Er freut sich an Automobilen und Luftschiffen, an jeder Erfindung
und Entdeckung. Seine einzige Eroberung in Europa hat er durch friedlichen
Tausch mit England gemacht: er erwarb die kleine Insel Helgoland vor unserer
Elbmündung.
So hat der junge Kaiser, der entschlossene, tatenlustige Mann, sein Wort
gehalten, mit dem er 1888 den ersten Reichstag eröffnete, er sei „entschlossen,
Frieden zu halten mit jedermann, so viel an ihm liege." Es geziemt dem Deut¬
schen nicht, mit seinem Kaiser zu renommieren; aber ein bedeutender Engländer
sagt von ihm, er sei wert, ein Engländer zu sein, und wenn die Franzosen von
ihm reden, und sie reden oft von ihm, so nennen sie ihn nur „Le Kaiser“.
C. Sein häusliches Leben. Ganz besondere Freude hat ganz Deutsch¬
land an dem schönen Familienleben unseres Kaisers. Ei^kvüÄS' 6iffsdtuf
27. Februar 1881 mit Auguste Viktoria, Prinzessin voi
Braunsc w :y
Sbteulbucnoiowothpfc