Vom Knaben zum Manne.
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jähre. Er sah mit Schrecken und Abscheu, wie zwei Parteiführer, Marius
und Sulla, abwechselnd die Macht hatten und dann Tausende ihrer Gegner
morden ließen, und der vornehme Sulla, aus dem edlen Geschlechte der
Cornelier, war dabei ebenso entmenscht wie sein plebejischer Gegner, der
Sohn eines Bauern. Cäsar war aus dem edlen Geschlechte der Juli er,
die ihre Abkunft von Julus, dem Sohne des Aeneas, herleiteten; aber er
war durch eine Heirat seiner Tante mit Marius verwandt, und beinahe wäre
er nach Marius' Tode ein Opfer dieser Verwandtschaft geworden: Sulla
wollte ihn wie alle Anhänger des Marius töten lassen. Aber da Freunde
für den Jüngling baten und Sulla gerade des Mordens müde war, sagte er:
„Wie ihr wollt! Aber in dem jungen Manne steckt mehr als ein Marius!"
Der kluge Sulla hatte die große Begabung des Jünglings erkannt. Seitdem
fühlte sich Cäsar nicht mehr sicher in Rom. Er wollte auch Welt und
Menschen kennen lernen, so reiste er in die Ferne.
An der Küste von Kleinasien fiel er in die Hände von Seeräubern,
die damals alle Meere unsicher machten. Sie freuten sich über den Fang
des vornehmen Römers und verlangten von ihm ein Lösegeld von zwanzig
Talenten (80000 M). Stolz fuhr Cäsar auf: „Für mich verlangt ihr nur
zwanzig Talente? Fünfzig sollt ihr haben!" Nun schickte er seine Begleiter
in verschiedene Städte Kleinasiens, um das Geld zusammenzuleihen. Er
aber mußte mit einem Freunde und zwei Sklaven achtunddreißig Tage unter
den Räubern bleiben. Aber nicht wie ihr Gefangener, sondern wie ihr Fürst
gebärdete er sich; wenn er schlafen wollte, gebot er ihnen Stille; wenn er
ihnen Gedichte und Reden vorlas, so mußten sie aufmerksam zuhören, und
wenn ihn dann einer nicht bewunderte, so schalt er ihn einen Tölpel. Ja,
oft nannte er sie Barbaren und drohte, er würde sie alle umbringen;
sie aber nahmen das für Spaß und lachten darüber. Als dann das Lösegeld
ankam und er befreit wurde, bemannte er alsbald ein paar Schiffe, fuhr den
Räubern nach und nahm die meisten gefangen. Nun nahm er ihnen ihre
ganze reiche Beute ab und ließ sie alle ans Kreuz schlagen. Er selbst aber
hielt sich noch eine Zeit im Auslande auf und lernte mit Eifer griechische
Redekunst uud Bildung. Dann kehrte er nach Rom zurück, wo inzwischen
Sulla gestorben war.
Aber hier merkte niemand etwas von seinem Stolz und Ehrgeiz.
Sorgfältig gekleidet ging er umher und war liebenswürdig gegen alle.
In seinem Hause übte er eine großartige Gastfreundschaft, und bald waren
seine Gastmähler als die kostbarsten und üppigsten berühmt. Als er dann
einmal die öffentlichen Feste zu leiten hatte, bewirtete er das ganze Volk
und ließ so köstliche Spiele aufführen, wie das verwöhnte Volk sie noch
nie gesehen hatte. Einmal kämpften im Circus dreihundert und zwanzig
Fechterpaare in silbernen Rüstungen gegeneinander unter dem Jubelgeschrei
des Volkes. Nichts sah das wilde römische Volk damals lieber, als solche