Full text: Lebensbilder aus Sage und Geschichte (Vorstufe)

Vom Knaben zum Manne. 
87 
jähre. Er sah mit Schrecken und Abscheu, wie zwei Parteiführer, Marius 
und Sulla, abwechselnd die Macht hatten und dann Tausende ihrer Gegner 
morden ließen, und der vornehme Sulla, aus dem edlen Geschlechte der 
Cornelier, war dabei ebenso entmenscht wie sein plebejischer Gegner, der 
Sohn eines Bauern. Cäsar war aus dem edlen Geschlechte der Juli er, 
die ihre Abkunft von Julus, dem Sohne des Aeneas, herleiteten; aber er 
war durch eine Heirat seiner Tante mit Marius verwandt, und beinahe wäre 
er nach Marius' Tode ein Opfer dieser Verwandtschaft geworden: Sulla 
wollte ihn wie alle Anhänger des Marius töten lassen. Aber da Freunde 
für den Jüngling baten und Sulla gerade des Mordens müde war, sagte er: 
„Wie ihr wollt! Aber in dem jungen Manne steckt mehr als ein Marius!" 
Der kluge Sulla hatte die große Begabung des Jünglings erkannt. Seitdem 
fühlte sich Cäsar nicht mehr sicher in Rom. Er wollte auch Welt und 
Menschen kennen lernen, so reiste er in die Ferne. 
An der Küste von Kleinasien fiel er in die Hände von Seeräubern, 
die damals alle Meere unsicher machten. Sie freuten sich über den Fang 
des vornehmen Römers und verlangten von ihm ein Lösegeld von zwanzig 
Talenten (80000 M). Stolz fuhr Cäsar auf: „Für mich verlangt ihr nur 
zwanzig Talente? Fünfzig sollt ihr haben!" Nun schickte er seine Begleiter 
in verschiedene Städte Kleinasiens, um das Geld zusammenzuleihen. Er 
aber mußte mit einem Freunde und zwei Sklaven achtunddreißig Tage unter 
den Räubern bleiben. Aber nicht wie ihr Gefangener, sondern wie ihr Fürst 
gebärdete er sich; wenn er schlafen wollte, gebot er ihnen Stille; wenn er 
ihnen Gedichte und Reden vorlas, so mußten sie aufmerksam zuhören, und 
wenn ihn dann einer nicht bewunderte, so schalt er ihn einen Tölpel. Ja, 
oft nannte er sie Barbaren und drohte, er würde sie alle umbringen; 
sie aber nahmen das für Spaß und lachten darüber. Als dann das Lösegeld 
ankam und er befreit wurde, bemannte er alsbald ein paar Schiffe, fuhr den 
Räubern nach und nahm die meisten gefangen. Nun nahm er ihnen ihre 
ganze reiche Beute ab und ließ sie alle ans Kreuz schlagen. Er selbst aber 
hielt sich noch eine Zeit im Auslande auf und lernte mit Eifer griechische 
Redekunst uud Bildung. Dann kehrte er nach Rom zurück, wo inzwischen 
Sulla gestorben war. 
Aber hier merkte niemand etwas von seinem Stolz und Ehrgeiz. 
Sorgfältig gekleidet ging er umher und war liebenswürdig gegen alle. 
In seinem Hause übte er eine großartige Gastfreundschaft, und bald waren 
seine Gastmähler als die kostbarsten und üppigsten berühmt. Als er dann 
einmal die öffentlichen Feste zu leiten hatte, bewirtete er das ganze Volk 
und ließ so köstliche Spiele aufführen, wie das verwöhnte Volk sie noch 
nie gesehen hatte. Einmal kämpften im Circus dreihundert und zwanzig 
Fechterpaare in silbernen Rüstungen gegeneinander unter dem Jubelgeschrei 
des Volkes. Nichts sah das wilde römische Volk damals lieber, als solche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.