Die Lehre Jesu und ihre Verbreitung.
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haben, wenn sie bloß äußerliche gute Werke täten, also fleißig opferten
oder gar Tempel und Bilder stifteten. Nicht wenige aber suchten eine
nähere Gemeinschaft mit ihren Göttern, wußten eine solche
jedoch nicht zu finden. Sie begannen zu ahnen, daß ein reines
Leben der wahre Gottesdienst sei; sie durchschauten die Nichtig-
keit des alten Götterglaubens und mißtrauten Priestern und
Opfern. Den edelsten Geistern aber sagte eine innere Stimme,
es müsse einen einzigen wirklichen Gott geben; sie fühlten
große Sehnsuchtsuach ihm, vermochten ihn jedoch nicht selbst zu finden.
Wohl lebte schon ein Volk, das längst nur einen einzigen Gott
verehrte; das waren die Juden. Zu ihm öffnete Jesus von
Nazareth jenen Sehnenden den Weg.
2. Die Lehre Jesu und ihre Verbreitung. Er lehrte, daß Gott
im Himmel nicht von den Menschen gefürchtet sein will, sondern
daß er sie als seine Kinder ansieht. Vor ihm gelten alle Unter¬
schiede zwischen Griechen und Inden, zwischen Freien und Sklaven,
zwischen Mann und Weib nichts. Jede einzelne Menschenseele, auch
die des Geringsten, ist ihm teuer und wert. Alle seine Forderungen
an die Menschen aber faßt er in das Gebot der Liebe zusammen.
Sie sollen einander als Brüder und Schwestern ansehen. Wenn
sie von diesem Gefühle ganz durchdrungen find, dann wächst aus
ihm alles Gute wie von selbst hervor, und so wird das Reich
Gottes auf Erden erstehen.
Alles aber, was die Leute bis dahin für das Wichtigste am
Gottesdienst ansahen, vor allem die heidnischen Opfer, das ist
diesem Gott im Himmel gleichgültig.
Als Jesus dem Hasse der Gegner erlegen war, da zogen die
Apostel und Evangelisten im Reiche umher und verbreiteten die neue
Lehre. Sie predigten dabei nun auch von dem auferstandenen
Christus als dem Bürgen ihres Glaubens uud waren fest überzeugt,
daß er bald zur Aufrichtung feines himmlischen Reiches wieder-
kommen und der gegenwärtigen bösen Welt ein Ende machen
werde. Unter allen diesen Sendboten war keiner größer als Paulus
von Tarsus, ein jüdischer Mann, der aus einem grimmigen Verfolger
der Lehre Jesu ihr eifrigster Anhänger geworden war.
Nach wenigen Jahrzehnten gab es in allen größeren Städten des
weiten Reiches Christengemeinden. Es waren meist Leute
niederen Standes, die nicht viel vom Leben auf dieser Welt hatten
und mit Freuden von der Schönheit des Himmelreichs hörten, das den