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30. Julius Wolff.
„Der wilde Jäger“. Berlin. Gl. Grote. 82. Tausend. 1898.
1. Frühling.
Manch finstre Nächte währt das Wehen
mit Tropfenfall und Wetterschlag,
und redlich plagt sich jeder Tag,
den Wind so weit herumzudrehen,
5 daß er die Wolken seitwärts schiebt
und endlich blauen Himmel gibt.
Dann aus dem rein gefegten Haus
tritt auch die liebe Sonn’ heraus
und streut verschwenderisch ihr Gold
10 all den Millionen, die drum betteln,
als ob sie’s lächelnd, allen hold,
an einem Tage wollt’ verzetteln.
Im Wald, dem eben noch so dunkeln,
hebt nun ein Flimmern an, ein Glast
15 und ein geheimnisvolles Funkeln,
als wie in einem Feenpalast.
Es treibt mit Macht und wächst und quillt;
die schlanke Buchenknospe schwillt,
braunrötlich glänzen ihre Schuppen,
20 das Junge möchte sich entpuppen,
aus eingeschachtelten Gelenken
sein zartbewimpert Fähnlein schwenken;
denn andre blühen schon, bevor
ein Blättchen zeigt sein lauschend Ohr.
25 Die Erle und die Haselnuß,
das sind die ersten aus den Windeln,
sie strecken früh am jungen Schuß
die locker ausgeschlossen Spindeln.
Da hängen nun zu drei und vier
30 die braunen und die gelben Kätzchen,
und dicht am Reis, verborgen schier,
am lauschig wohlgeschützten Plätzchen
gleich einem hochgebundnen Zopf
duckt sich der Hasel Blütenweibchen
35 und trägt auf seinem runden Leibchen
blutroten Federbusch am Schopf.
In blendend Linnen, klar wie Schnee,
hüllt sich der schwarze Dorn der Schleh’,
die Espe spinnt sich weiche Seide
40 zu langen Schwänzen, kraus gelockt,
die Ulme blüht, und auch die Weide
ihr wollig Silberschäfchen flockt.
Nur Eiche ist noch kahl und wirr,
ihr knickig Sparrwerk und Geschirr
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