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Diese Unterdrückung des Hauses Ali erzeugte große Spaltung unter
den Mohammedanern. Viele derselben glaubten, nur dem Ali habe die
Herrschaft gebührt, und Abu-Bekr, Omar und Othmar, so wie alle ihre
Nachfolger, wären unrechtmäßige Regenten gewesen. Sie verehrten da¬
her den frommen Ali als einen Märtyrer und Heiligen. Diese Anhänger
des Hauses Ali, die sich besonders in Persien ausbreiteten, bekamen den
Namen „Schiiten" oder Sektirer. Ihnen standen die Sunniten ent¬
gegen, welche der Sunna oder Tradition (Ueberlieferung) ein gleiches An¬
sehen beilegten wie dem Koran und des Ali Andenken in ihren Mo¬
scheen verfluchten. Keine Zeit hat die Parteien und ihren gegenseitigen
Haß unterdrückt. Noch jetzt nähren die Perser als Schiiten einen un¬
versöhnlichen Haß gegen die Türken und gegen Alle, welche die drei
Kalifen für rechtmäßig halten. Die Sunniten oder Rechtgläubigen
waren aber die überwiegende Mehrzahl.
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5. Ausdehnung des arabischen Reichs.
Moawijah, der den Ali gestürzt hatte, war das Haupt der Ommaja-
den, die sich bis zur Mitte des achten Jahrhunderts im Besitz des Chalifats
erhielten. Den Kampf mit den Aliten (Anhängern des Ali) beendete
erst Abdel Malek im Jahre 693. Dieser Kalif vollendete die Eroberung
von Nordafrika bis an das Atlantische Meer durch seine Feldherren
Hassan und Musa. Sein Sohn und Nachfolger war Walid (705—15),
unter welchem die Araber sogar nach Spanien übersetzten, angeführt
von dem kühnen Feldherrn Tarek (s. oben Seite 67), während ein an¬
derer Feldherr (Kotaibah) im Osten vordrang, die asiatischen Reiche von
Bochara, Turkestan rc. bis zur Grenze des nördlichen Indus eroberte.
So erstreckte sich die Herrschaft der Kalifen über das ganze nördliche
Afrika bis nach Aegypten, und von den Ländern Asiens gehörten ihr
Palästina, Syrien, die Küsten des Rothen Meeres und das ganze weite
Ländergebiet vom Taurus und Kaukasus bis zum Sir Darja, also ganz
Persien und Mesopotamien (das Land zwischen Euphrat und Tigris).
Somit stand dem abendländisch-christlich-germanischen Reiche ein morgen-
ländisch-mohammedanisch-arabisches Reich gegenüber, mit dem auf Tod
und Leben gekämpft werden mußte.
Traum des Schlafenden." — „Der Gläubige hat Gott beständig vor Singen und ist
voller Gedanken. Er ist dankbar im Glück und geduldig im Unglück." — „Das ist
ein weiser Mann, der sich in seinem Zorn, seinem Verlangen, seiner Furcht regieren
kann." — „Der Werth eines jeden Menschen ist das Gute, so er thut!" — „Die
Zunge eines weisen Mannes liegt hinter seinem Herzen, aber das Herz eines Narren
•liegt hinter seiner Zunge." — „Wissenschaft ist der Reichen Zier und des Armen Reick-
thnm." — „Der ist der größte Narr unter Allen, der nichts Löbliches thut und doch
gelobt und geehrt sein will, der Böses thut und doch die Belohnung des Guten er¬
wartet." — „Wer sich selbst kennt, der kennt Gott den Herrn." — „Ein weiser Feind
ist besser als ein thörichter Freund."