Full text: Griechische und römische Geschichte (Teil 3)

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Dagegen kam das Ende des weströmischen Reiches bald 
heran. Es erlag in den Stürmen der Völkerwanderung der Kraft 
der Germanen, nachdem diese bereits zweimal, im Anfange und 
in der Mitte des fünften Jahrhunderts, eine furchtbare Plünderung 
über Rom verhängt hatten. Sein letzter Schattenkaiser war der 
junge R6mulus, den man spottweise Augüstulus, d. h. 
Kaiserlein, nannte. Ein germanischer Heerführer, namens O d o ä = 
kar, der mit seinen Söldnern in römischen Diensten stand, stieß 
A*1C\ den 17jährigen Jüngling vom Throne und errichtete auf dem 
^^ Boden Italiens ein germanisches Königtum. Das geschah 
etwa ein und ein Viertel Jahrtausend nach der sagenhaften Gründung 
der Tiberstadt. Der erste Königsname der Römer war auch ihr letzter 
Kaisername. 
Rom selbst, einst der glänzende Mittelpunkt eines Weltreiches, 
war nur noch eine elende Trümmerstadt mit etwa 20 000 verarmten 
Einwohnern: das Abbild des untergegangenen Altertums. 
§ 161. Rückblick. 
1. Wie die Griechen auf geistigem, so sind die Römer auf 
st a a t l i ch e m Gebiete die Lehrmeister der Welt geworden. Ins- 
besondere hat das fein ausgeprägte römische R e ch t die Entwicklung 
und das Gesetzeswesen der Völker bis in unsere Zeit beeinflußt. 
Die Grundlage der römischen Macht war die Vaterlands- 
liebe. „Das öffentliche Wohl soll oberstes Gesetz sein?" Dieser 
Satz beherrschte in älterer Zeit das ganze bürgerliche Leben, Tun 
und Lassen jedes einzelnen. Deshalb ist der Staat der Römer 
auch groß geworden. Er umfaßte und ordnete schließlich zu einem 
einheitlichen Reiche die ganze damals bekannte Welt. 
Rom erfüllte auf diese Weise die Aufgabe, die von der Bor- 
sehung ihm zugewiesen zu sein schien: es schloß das Altertum 
st a a t l i ch zusammen, förderte die gemeinsame griechische 
Bildung der Völker und diente dadurch der Ausbreitung des 
E h r i st e n t u m s. 
Aber das Römervolk war im Laufe der Zeit durch seine Erobe- 
rnngen reich und habsüchtig geworden; es verlor die Einfachheit 
seiner Sitten und fiel immer mehr der Genußsucht änheim. Da 
erging es ihm, wie dem Menschen, wenn er zuchtlos wird: mit seiner 
Kraft war es vorbei, und seine Rolle in der Geschichte hatte ein Ende. 
* Jetzt trat ein anderes Volk auf, das den Römern durch seine 
sittliche Stärke weit überlegen war: das Volk der Germanen. 
Sie waren berufen, die Welt auf christlicher Grundlage umzugestalten.
	        
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