Full text: Für die Klassen 7 und 6 (Teil 1)

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Sagen des klassischen Altertums. 
Gott des Weines Bakchus durch die Lande und kam nach Phrygien, einer 
Landschaft Klein-Asiens. Um ihn in fröhlichem Zuge tummelten ftch und 
schwärmten seine Begleiter, tanzende Jünglinge und Mädchen, alle voll 
ausgelassener Freude. Nur einer fehlte, ein alter Freund und Genosse des 
Gottes, Silenus; zu viel hatte er von Dem süßen Wein gezecht und war 
in den duftenden Rosengärten des Königs Midas eingeschlafen. So 
fanden ihn einige Landleute, bekränzten ihn mit Blumen und brachten ihn 
zu ihrem Könige. Midas wußte fofort, wer der Alte war; er nahm ihn 
freundlich auf und bewirtete ihn zehn Tage und zehn Nächte festlich. Dann 
führte er Silenus zum (Sötte Bakchus zurück. Groß war dessen Freude, 
als er den lange vermißten, alten Freund wiedersah, und voll Dankbarkeit 
gestattete der Gott dem Könige eine Bitte, die er gern erfüllen wolle. 
Midas flehte: „Schaffe, o mächtiger Gott, daß alles, was ich mit den 
Händen berühre, sich in glänzendes Gold verwandelt." Bakchus bedauerte 
zwar diesen Wunsch, doch erfüllte er ihn. 
Hocherfreut eilte Midas von dannen, begierig zu erfahren, ob alles, 
was er anfaßte, Gold würde. Er brach unterwegs einen Zweig von einer' 
Eiche, der Zweig wurde Gold; er nahm einen Stein, etwas Erde auf, beides 
war fofort Gold. Er riß einen Halm Getreide aus, der Halm war goldig, 
ebenso der Apfel, den er berührte. Ja der Türpfosten seines königlichen 
Palastes strahlte wie Gold, als er ihn streifte, und das Wasser, in dem er 
feine Hände wusch, schien eine goldene Flut. Voll kühner Gedanken, was 
er alles in Gold verwandeln wollte, setzte er sich zu Tische, um ein reich- 
liches, leckeres Mahl zu genießen. 
Doch wie fürchterlich wurde ihm dies erste Mahl! Das weiße Brot, 
das er in die Hand nimmt, wird hartes Gold, er kann es nicht beißen; 
die Fleifchstücke, die er kauen will, find wie goldenes Blech, der funkelnde 
Wein geht wie flüssiges Gold durch seine Kehle. Entsetzt springt er aus 
und beginnt, seinen Reichtum zu verwünschen; er sieht, daß alles Gold ihm 
nichts nützt, er muß ja verhungern und verdursten! Voll Angst betet er 
zu Bakchus: „Verzeih mir meinen törichten Wunsch, hilf mir, befreie mich 
von dem glänzenden Elend!" Der Gott erbarmte sich des jammernden 
Königs. „Geh," sagte er, „an den Fluß Paktolus, wandere an seinem 
Ufer entlang, bis du in den Bergen zur Quelle kommst. Dort bade dich 
in dem Sprudel, und du wirst dein Elend verlieren." Midas 'tat es und 
verlor wirklich das unheilvolle Geschenk. Der Fluß Paktolus führt von 
da an Goldsand in seinem Bette. 
Aber leider war Midas trotz der bösen Erfahrung, die er in dem 
Verkehr mit dem Gotte Bakchus gemacht hatte, nicht vernünftiger ge-
	        
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