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dann sprach sie: „So höre denn auch du! Ich bin Jphigenia, deine
Schwester. Die Göttin errettete mich von ihrem Altare, als das
Messer schon gezückt war, hierher in ihren Tempel, um ihr als
Priesterin zu dienen." — Lange konnte Orestes sich nicht in das
Glück finden, die Schwester wiedergefunden zu haben. Endlich
willigte er in den Plan ein, mit den beiden und dem Bilde der
Göttin zu fliehen. Jphigenia ersann eine List. Sie gab vor, die
Fremdlinge müßten, ehe sie der reinen Göttin geopfert werden
dürften, in den Wellen des Meeres entsühnt werden, da eine schwere
Schuld auf ihnen hafte, und mich das Bild der Göttin bedürfe
derselben Weihe; denn es sei durch Berührung der Frevler entweiht.
Der König Thoas gab dazu seine Genehmigung und traf selbst An¬
ordnungen, um auch den Tempel durch Räucherungen wieder zu
reinigen. Als er damit beschäftigt war, kam ein Bote eilend hin¬
zugelaufen und meldete, die Fremdlinge seien im Begriffe zu ent¬
fliehen; ein Schiff liege in dem Winkel der Meeresbucht verborgen
und habe sie zugleich mit der Priesterin und dem Bilde der Göttin
ausgenommen. Vergebens habe er und andere Hirten sie an der
Flucht zu hindern gesucht. Erzürnt bot der König sogleich seine
Krieger auf und eilte an den Strand des Meeres; schon fürchtete
er zu spät zu kommen, da die Fremden Zeit genug gewonnen hatten,
zu entfliehen. Aber ein widriger Wind hatte diese abgehalten, die
hohe See zu gewinnen, immer wieder wurden sie an die Küste zu¬
rückgeworfen. Schon schickte Thoas sich an, das Schiff zu ergreifen,
da erschien plötzlich, in einer Wolke schwebend, die Göttin Pallas
Athene unb gebot den Anstürmenden halt. „Laß ab von diesen
Fremden," rief sie, „sie erfüllen ben Willen eines Gottes. Apollo
selbst hat bem Orestes geboten, die Fahrt nach Tauris zu unternehmen
und das Bild der Artemis nach Athen zu bringen, wo es in einem
Tempel aufgenommen und in der Jphigenia eine Priesterin erhalten
wird." Thoas gehorchte der Stimme der Göttin und ließ die
Fliehenden ziehen. Poseidon gab ihnen günstigen Fahrwind und
führte sie glücklich in die Heimat. Orestes wurde König von Mykene,
Pylades, mit Elektra vermählt, herrschte in Phokis. Jphigenia
über wurde Priesterin der Artemis in einem Tempel zu Athen.
Are Irrfahrten des Hdysseus. Per Kykkop. Viel zu dulden
aber hatte Odysseus, ehe er nach der Insel Jthaka, seinem Vater-