Full text: Erzählungen aus den Sagen des klassischen Altertums und aus den deutschen Götter- und Heldensagen, Lebensbilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte (Teil 1)

II. Griechische Heldensagen. 
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Kadmus dankte und setzte über den Berg Parnassus seine Wandrung 
fort. Da erblickte er das Rind. An dem glatten Nacken erkannte er, daß es 
noch kein Joch getragen habe. In jenen gebirgigen Gegenden Griechenlands 
werden Rinder und Kühe als Zugtiere gebraucht. Er folgte der Spur des 
Tieres, und wo es sich im Grase niederließ, machte auch er Rast und sandte 
seine Gefährten aus, um Wasser zu suchen. Diese kamen in einen Urwald, 
der noch von keiner Axt oerletzt war. Dort fanden sie eine Quelle, die von 
einer Mauer und von Gestrüpp umgeben war. Als sie ihre Krüge hinab- 
ließen, kam eine greuliche Schlange hervor, die die Gefährten tötete. 
Kadmus war inzwischen über das lange Ausbleiben der Gefährten 
ungeduldig geworden, und er ging, sie zu suchen. Als er ihre Leichen 
und den Drachen gefunden hatte, rüstete er sich zum Kampfe gegen das 
Untier. Seine Waffen, Wurfspieß und Lanze, trug er immer bei sich, 
mit einem Löwenfelle war er bekleidet. In hartem Kampf erlegte er 
den Drachen, indem er die Lanze in dessen Weichen trieb. 
Während der Sieger den fürchterlichen Feind betrachtete, erschien 
seine Schutzgöttin Pallas Athene und befahl ihm, die Drachenzähne zu 
säen. Kadmus gehorchte. Aber aus den Zähnen wuchsen bewaffnete 
Männer hervor. Kadmus staunte ob des seltsamen Anblicks und wollte 
sich zum zweiten Kampfe rüsten. Da rief einer aus der Zahl der 
Männer: „Waffne dich nicht!" Dann erlegte er einen seiner Brüder, 
ihn ein andrer, bis zuletzt nur. fünf übrig waren. Von diesen bat einer 
Kadmus um Frieden und Freundschaft. Kadmus gewährte die Bitte, 
nahm die fünf als Gefährten mit, und sie halfen ihm eine Burg erbauen, 
die nach feinem Namen Kadmea genannt wurde. Um diese Burg hat 
sich die Stadt Theben angebaut, die zur Hauptstadt der Landschaft 
Böotieu geworden ist. Die ebene Landschaft eignete sich zum Ackerbau 
und zur Viehzucht. Viele Städte entstanden dort in der Folge. Die 
Bewohner waren tüchtige Landwirte, aber für Kunst und Wissenschaft 
hatten sie wenig Interesse. Deshalb wurde in Griechenland ein ungebil¬ 
deter Mensch Böotier genannt. 
Doch stammen zwei berühmte Dichter aus Böotieu, Pindar und 
Hesiod, auch eine Dichterin mit Namen Korinna. Diese war sogar 
die Lehrerin des Dichters Pindar. 
Die Sage von der Gründung Thebens durch den Phönizier Kadmus 
stammt aus Asien. Sie bedeutet, daß aus Asien Ansiedler gekommen 
sind, die das Schwesterland Europa, wo noch in Urwäldern gefährliche 
Tiere hausten, kultiviert haben. Tatsächlich haben phönizische Ansiedler 
in größerer Zahl sich in Böotieu niedergelassen. Die Landschaft hat aber 
ihren Namen von dem Stamme der Böoter, der aus Thessalien ein- 
wanderte und die phänischen Ansiedler vertrieb. 
5. Der Trojanische Krieg. Paris, der Sohn des Königs Priamus 
von Troja in Kleinasien, war bei dem Könige Menelaus von Sparta
	        
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