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81. Vom Kapital. 
Nachdem er an diese Wahrheit erinnert hatte, wandte er sich an 
einen Weber: „Ihr macht Leinwand, Nachbar Gutmann, was gebraucht 
Ihr dazu?" 
„Einen Webstuhl und Garn!" 
„Eure Hände, Eure Arbeit genügen also dazu nicht. Ihr müßt 
durchaus Garn haben, welches Euer Rohmaterial ist, und einen Web¬ 
stuhl, welcher Euer Instrument, Eure Maschine ist. Nun wohl, Euer 
Webstuhl, Euer Garn, der Raum, in welchem sich Euer Webstuhl be¬ 
findet, die Vorräte, welche Ihr haben müßt um auf Zahlung warten 
zu können, bilden Euer Kapital. All diese Hilfsmittel braucht Ihr zur 
Herstellung der Leinwand. Alles, was außer Eurer Arbeit zu diesem 
Zwecke erforderlich ist, bildet das Kapital." 
„Sind der Pflug, die Ochsen, die Schafe ebenfalls Kapital?" 
„Ohne Zweifel! Denken wir uns einen jungen Mann, welcher 
anfängt Geld zu verdienen und jeden Tag eine Mark erspart. Nach 
100 Tagen hat er 100 Mark. Ist dies ein Kapital? Wir wissen es 
noch nicht; denn es kommt darauf an, was er mit dem Gelde anfängt. 
Augenblicklich und solange er es in seiner Schublade verwahrt, ist es 
nur ein Mittel um etwas zu bekommen. Er kann sich entschließen das 
Geld für sein Vergnügen auszugeben; in diesem Falle wäre es kein 
Kapital. Legt er es aber in der Sparkasse auf Zinsen, so ist es ein 
Kapital; denn es erzeugt ein Einkommen. Wenn er durch seine Er¬ 
sparnisse endlich dazu gelangt sich für sein Geld einen Webstuhl und 
Garn kaufen zu können, so hat er sein Geld in ein Industriekapital 
umgewandelt, welches, beiläufig gesagt, ihm viel mehr einbringen kann, 
also produktiver ist. 
So gelangt man durch Sparen zum Kapital. Sparen heißt sich 
einschränken; wer sich aber einschränkt, kann etwas zurücklegen. Es ist 
nicht nötig viel zu verdienen, um sparen zu können; man kann dies 
auch bei geringem Verdienst; man muß nur weniger ausgeben, als man 
einnimmt. Halm bei Halm baut sich der Vogel sein Nest und aus 
kleinen Büchen entstehen große Flüsse." 
II. 
Einer der Nachbarn wollte nicht zugeben, daß das Garn ebenso¬ 
gut als Kapital betrachtet werden könne wie der Webstuhl oder das 
Korn ebensogut Kapital sei wie der Acker. 
Der Lehrer antwortete: „Auch andere haben ebenso wie Ihr be¬ 
merkt, daß Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Arten von Kapital 
bestehen. Man hat sie deshalb mit verschiedenen Namen bezeichnet und
	        
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