Full text: Erzählungen aus den Sagen des klassischen Altertums und aus den deutschen Götter- und Heldensagen, Lebensbilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte (Teil 1)

II. Deutsche Heldensagen. 
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bestand. Mehr Glück mit seiner Werbung hatte König! Herwig von 
Seeland. -»■' 
Dieser gewann die Zuneigung Gudruns und wurde mit ihr verlobt. 
Darüber ergrimmte König Siegfried von Morland, der auch lange 
vergeblich um Gudrun geworben hatte. Er rüstete in der Eile Schisse 
aus und fuhr nach Seeland, um seinen Nebenbuhler Herwig zu bekämpfen. 
Dieser erhielt Hilfe von dem Vater seiner Braut. Beide zogen mit ihren 
Mannen gegen Siegfried von Morland. Dadurch war Hettels Land von 
Kämpfern entblößt. Dies benutzte Hartmut von der Normandie, siel mit 
einem starken Heere in das Land der Hegelinge ein und raubte Gudrun. {Die 
trauernde Mutter Gudruns schickte eilig Boten an ihren Gemahl mit der 
Meldung, daß ihre Tochter gefangen wäre. Ohne Verzug machten sich Hettel 
und Herwig zur Verfolgung der Normannen auf. Sie trafen diese auf dem 
Wülpensande, einer Insel der Nordsee in der Scheldemündnng. Es ent- 
spann sich ein furchtbarer Kampf, in dem Hettel und die meisten seiner Ritter 
fielet) Hartmut entkam mit seinen Schiffen; Gudrun blieb in seiner Gewalt. » 
»4>urch Versprechungen und Drohungen suchte man Gudrun von ihrem 
Verlobten abwendig zu machen. Alles war vergeblich; darüber geriet der 
Vater Hartmuts schließlich so in Zorn, daß er die Jungfrau bei den Haaren 
ergriff und ins Meer warf. Doch Hartmut selbst rettete sie. Endlich 
langten die Normannen in der Heimat an. Dort wurde Gudrun der 
Obhut der Königin Gerlind übergeben. Auch diese gab sich alle Mühe, 
die geraubte Prinzessin günstig für Hartmut zu stimmen. Als ihr das 
durch Güte nicht gelang, versuchte sie es mit Strenge. Sie mißhandelte 
die arme Gudrun und zwang sie, die Arbeiten einer Magd zu verrichten. 
Vergebens baten Hartmut und seine gute Schwester Ortrun ihre Mutter, 
die unglückliche Königstochter besser zu behandeln. 
Der Haß Gerlindens steigerte sich von Tag zu Tag. Schließlich 
mußte Gudrun während des Winters barfuß in der bittersten Kälte jeden 
Morgen an den Strand des Meeres gehen und die Gewänder der Königin 
waschen. Ihre einzige Gefährtin war die treue Hildburg. 
Das Unglück Gudruns dauerte nun schon dreizehn Jahre, aber noch 
immer bewahrte sie ihrem Verlobten Herwig die Treue. Endlich schlug 
auch für sie die Stunde der Befreiung. 
Eines Tages, als Gudrun und Hildburg wieder am Strande wuschen, 
nahten zwei fremde Männer in einen: kleinen Nachen. Sie fragten, ob 
die vor Jahren geraubte Gudrun noch lebe. Diese erkannte bald in den 
Ankömmlingen ihren Bruder Ortwin und ihren Verlobten Herwig und gab 
sich auch ihrerseits zu erkennen. Herwig hätte am liebsten seine Braut auf 
der Stelle weggeführt; doch Ortwin wehrte ihm. Mit Waffengewalt war 
Gudrun geraubt worden, mit den Waffen wollte er sie wiedergewinnen. 
Daher mußte Gudrun noch einmal zu der bösen Gerlind zurückkehren. 
Die Gewänder warf sie, statt sie zu waschen, ins Meer. Darüber geriet
	        
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