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247. Der neunzehnte Juli 1870.
G. Hesekiel.
Zu Charlottenburg im Garten
in den düstern Fichtenhain
tritt, gesenkt das Haupt, das greise,
unser teurer König ein.
Und er steht in der Kapelle —
seine Seele ist voll Schmerz —
drin zu seiner Eltern Füßen
liegt des frommen Bruders Herz.
An des Vaters Sarkophage
lehnet König Wilhelm mild,
und sein feuchtes Auge ruhet
auf der Mutter Marmorbild.
„Heute war's vorsechzig Jahren
leise seine Lippe spricht,
„als ich sah zum letzten Male
meiner Mutter Angesicht.
Heute war's vor sechzig Jahren,
als ihr deutsches Herze brach
um den Hohn des bösen Feindes,
um des Vaterlandes Schmach.
Jene Schmach hast du gerochen
längst, mein tapfrer Vater, du;
aber Frankreich wirft aufs neue
heute uns den Handschuh zu.
Wieder sitzt ein Bonaparte
ränkevoll auf Frankreichs Thron,
und zum Kampfe zwingt uns heute
wieder ein Napoleon.
Tret' ich denn zum neuen Kampfe
wider alte Feinde ein,
dann soll's mit dem alten Zeichen,
mit dem Kreuz von Eisen sein.
Der Erlösung heilig Zeichen
leuchte vor im heil'gen Krieg,
und der alte Gott im Himmel
schenkt dem alten König Sieg!
Blicke segnend, Mutterauge,
Vater, sieh, dein Sohn ist hier!
Und auch du, verklärter Bruder,
heute ist dein Herz bei mir.“
Leise weht es durch die Halle.
König Wilhelm hebt die Hand;
all' die goldnen Sprüche funkeln
siegverheißend von der Wand.
Zu Charlottenburg im Garten
aus dem düstern Fichtenhain
tritt der König, hoch und mächtig,
um sein Antlitz Sonnenschein.
248. Grlaß des Königs Wilhelm am 21. Juli 1870.
Ich bin gezwungen, infolge eines willkürlichen Angriffes das
Schwert zu ziehen, um denselben mit aller Deutschland zu Gebote
stehenden Macht abzuwehren. Es ist Mir eine große Beruhigung
vor Gott und den Menschen, daß Ich dazu in keiner Weise Anlaß
gegeben habe. Ich bin reinen Gewissens über den Ursprung dieses