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nach diesem der Glücklichste zu sein schiene, nannte Solon den
Kleobis und Biton, zwei Söhne einer Priesterin der Hera zu
Argos. Diese zogen einst den Wagen der Mutter nach dem Tempel.
Da flehte die Mutter die Göttin an, sie möchte ihren Söhnen das
geben, was für sie das beste wäre, und als sie zu ihnen zurück-
kehrte, fand sie die Jünglinge tot. Als Solon also sprach, wurde
Krösus unwillig und sagte: „Achtest du denn mein Glück so ge-
ring, daß du mich nicht einmal gemeinen Bürgern gleichstellst?"
Solon aber sagte: „Oft ist ein armer Mann glücklicher, als ein
reicher; auch kann sich vieles im Leben ändern, und niemand ist
deshalb vor seinem Tode glücklich zu preisen." Das erschien dem
Krösus sehr thöricht, und er wandte dem Solon den Rücken; aber
später, als er von einem schmachvollen Tode bedroht war, dachte
er an jenes Wort, und das rettete ihm das Leben.
3 Cyrus, König von persien. 560.
§ 14. Die Jugend des Cyrus. — Um dieselbe Zeit,
wo Solon lebte, war in Asien ein mächtiger König aufgestanden,
der König Cyrus von Persien. Dem Könige ÄstHages von
Medien, so wird erzählt, träumte einst, aus dem Schöße semer
Tochter Mandäne wachse ein Weinstock, der ganz Asien über-
schatte. Da ihm nun die Priester dies so deuteten, daß der Sohn
der Mondäne ganz Asien beherrschen werde, fürchtete er sich und
vermählte sie mit Kambyses, einem Perser von zwar vornehmem,
aber nicht fürstlichem Geschlecht. Als sie aber einen Sohn, den
Cyrus, gebar, wurde der König durch einen neuen Traum erschreckt.
Deshalb übergab er das Kind einem seiner Hofleute, dem Harpagus,
daß er es tötete. Der fürchtete aber die Rache der Mandane und
überließ deshalb die Vollziehung des Befehls einem Hirten. Dieser
brachte das Kind seiner Frau, die eben ein totes Kind geboren hatte,
und dieselbe beredete ihn, daß er den Knaben behielt und dafür das
tote Kind aussetzte. So wuchs Cyrus als Hirtenknabe auf. Einst
wurde er im Spiel von den anderen Knaben zum König gewählt,
aber der Sohn eines vornehmen Meders, der mit ihnen spielte,
wollte ihm nicht gehorchen. Cyrus ließ ihn deshalb züchtigen; der
Knabe aber klagte es seinem Vater und dieser dem Könige. Dieser
ließ den Cyrus vor sich kommen, und als er ihn sah, schöpfte er so-
gleich Verdacht wegen seiner Herkunft. Er ließ den Hirten rufen,
und dieser gestand alles. Auch Harpagus wurde geholt und wagte
nicht zu leugnen. Der König aber nahm an ihm furchtbare Rache,
indem er ihn zur Tafel lud und dem nichts Ahnenden seinen eigenen
Sohn zu essen gab. Cyrus wurde zu seinen Eltern nach Persien
geschickt; als er aber herangewachsen war, reizte ihn Harpagus zum
Kriege gegen Astyages. Cyrus zog an der Spitze der Perser gegen
den König, schlug sein Heer, nahm ihn selbst gefangen und machte
dem medifchen Reiche ein Ende.
§ 15. Die Kriege des Cyrus. — Sein Tod. —
Krösus, welcher der Schwager des Astyages war, beschloß den-