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welches in Frankreich eingerückt war, siegreich vordrang. Da muffte das ganze
französische Volk zu den Waffen gerufen werden; neu eingesetzte Behörden, der
Wohlsahrts- und Sicherheitsausschuss, wandten dabei schreckliche Mittel
an, unb im Konvente tobte der fürchterlichste Aufruhr. Zu einiger Besinnung
kam die mörderische Gesellschaft, als das eine ihrer Häupter, Marat, durch ein
schwärmerisches Mädchen, Charlotte Corday aus Ca6n, erdolcht wurde. Um
dieselbe Zeit hatten sich die Provinz Venbse unb mehrere Städte, wie Borbeaux,
Lyon, Toulon gegen bie Schreckensherrschaft in Paris erhoben. Da bte Truppen,
welche gegen sie ausgesanbt würben, meist aus zusammengelaufenem Gefinbel be¬
stauben, so mufften geübtere Heere unb Heerführer ausgewählt werben. Diese
„höllischen Kolonnen" wüteten furchtbar unter Callot b'Herbois in Lyon, unter
Carrier in Nantes, während bei der Belagerung von Toulon der Artillerie-Lieutenant
Napoleon Bonaparte sich zu einem ausgezeichneten Heerführer heranbildete.
So verbreitete sich über ganz Frankreich eine Schreckensregierung (Terrorismus)
ohne gleichen. Ein Opfer derselben wurde auch die unglückliche Königin Marie
Antoinette (16. October 1793). Aber auch der Herzog von Orleans, Philipp
Egalite, entging feinem Schicksale nicht. Er siel mit noch vielen andern unter
der täglich arbeitenden Guillotine. Als endlich das Christentum abgeschafft und
ein Fest der Vernunft gefeiert wurde; als die Revolutionsmänner sich unter
einander mit Anklagen überhäuften, der liebe Gott wieder in feine Rechte eingefetzt,
dann aufs neue abgefetzt wurde und deswegen schließlich auch Danton unb Robes¬
pierre ben Tob unter dem Fallbeile starben: ba hatte das Elenb bes unglücklichen
Landes seine höchste Höhe erreicht, und es mufften bessere Zeiten kommen. So
erschienen denn viele, die sich bis dahin verborgen gehalten- hatten oder geflohen
waren, wieder in Paris, und man freute sich, auf den Straßen anständig gekleidete
Menschen zu sehen. Der Konvent aber löste sich auf, und an feine Stelle trat
eine neue mildere Regierung, die man das Direk t dt tum nannte.
§. 95. Kriegsthaten. Der General Bonaparte. Unterdessen
war der Krieg gegen Frankreich nicht eben ehtettDoll fortgeführt worden. Die
untüchtigen Heere der Franzofen wandelten sich schnell in geschickte und kriegs-
geübte um, und die Deutschen mufften zurückweichen. Als nun der König Don
Frankreich hingerichtet war, würde der Krieg gar ruhmlos für die Deutschen
geendet haben, wenn nicht England gemeint hätte, ganz Europa müsse gegen das
aufrührerische (reüoluttonäre) Frankreich einen Bund schließen. Das geschah, und
bald wehten die Kriegsfahnen zu Lande und zu Wasser, in Frankreich und Holland,
in Italien und Deutschland. Wohin aber die Franzosen kamen, waren sie sieg-
reich, und durch ihre schmeichlerischen Vorspiegelungen, den Ländern Glück und
Freiheit zu bringen, gelang es ihnen sogar, die Völker zu bethören und für sich
zu gewinnen. Die Fürsten mufften es sich gefallen lassen, dass ans ihren Ländern
Republiken gemacht wurden. So geschah es mit Holland und besonders mit Italien.
Dieses Treibens wurden endlich bte betben angesehensten Fürsten Deutschlands,
ber König Don Preußen Friebrich Wilhelm II. unb ber Kaiser von Österreich
Franz II., satt unb machten mit Frankreich Frieben, mufften dabei aber schöne
Teile ihrer Länber an Frankreich abtreten. Der Mann, welcher ben Franzosen
in biesen Kriegen am meisten zu Ruhm unb Ehren verHolsen hatte, war Napoleon
Bonaparte, am 15. August 1769 zu Ajaccio auf ber Insel Korsika geboren,
Sohn eines Abvokaten, ber zweite von fünf Brübern. Schon als Knabe zeigte
er einen herrischen unb harten Sinn, das Soldatenspiel war seine liebste Be¬
schäftigung, weshalb ihn berat auch sein Vater im zehnten Jahre auf bte Kriegs¬
schule nach Brienne schickte, von wo er im siebzehnten Jahre als Unterlieutenant